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Interview mit einem Buchpiraten

Interview mit einem Buchpiraten

Titel: Interview mit einem Buchpiraten
Autoren: SPIEGELBEST
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Seferis, Elytis und Ritsos - gibt es in Übersetzungen, aber sie sind bereits Klassiker. Ihre Werke sind in der Diaspora oder im Exil entstanden, im Falle von Ritsos in griechischen Gefängnissen. Der einzige Romancier, der viel übersetzt wurde, hat in Genf gelebt: Nikos Kazantzakis. Er wird von den Touristen geschätzt, die in Griechenland Urlaub machen und am Strand einmal nicht amerikanische Schmöker verschlingen wollen.

    Dass auch in Griechenland europäische Literatur geschrieben wird, weiß man nicht. Vielleicht nach der Krise... Trotzdem versprach ich meinem Freund, bei den deutschen Literaturhäusern und anderen kulturellen Institutionen nachzufragen, ob es Stipendien für griechische Autoren gibt, große Hoffnungen konnte ich ihm nicht machen. Europa ist zu müde, um sich mit den kleineren europäischen Literaturen zu beschäftigen, und schon gar nicht mit denen des Balkans. Das Telefonat wurde ungemütlich, auch weil ich mich bald schämte

    Das Verschwinden des Autors
    Und sonst? Über was wird in Deutschland geredet?, fragte er. Ich war gerade in Berlin, sagte ich, und habe mir die Biennale angeschaut. Eine der Kuratorinnen dieser hoch subventionierten Veranstaltung hat verkündet: „Alles, was keine Politik ist, ist keine Kunst, sondern nur eine tote Vogelscheuche, gefüllt mit Scheiße und Reflexion.“ Ein gut bezahltes Statement, weil es so widerlich ist.

    Schweigen im Telefon. Und sonst? Hier wird, sagte ich schüchtern, gerade über das Verschwinden des Autors im Netz diskutiert. Eine kleine politische Gruppe, die sich Piraten nennt, hat der Gesellschaft eine Diskussion aufgezwungen, an der sich alle beteiligen müssen. Was im Netz steht, soll allen gehören, der Begriff „geistiges Eigentum“ wird abgeschafft, er sei „ekelhaft“.

    Die neuen Spielregeln des Netzes
    Mein griechischer Freund fühlte sich - nach langem Schweigen - an die Zeit erinnert, als er in Berlin Philosophie studierte und seine ersten Gedichte schrieb. Auch damals habe eine kleine politische Gruppe der gesamten Gesellschaft einen Diskurs aufgezwungen. Es ging um Revolution, die unmittelbar und sofort umgesetzt werden müsse, ohne Rücksicht. Also führen die Piraten einen Krieg gegen die Internetmogule, deren Umsatz größer ist als das griechische Bruttosozialprodukt?, fragte er nach. Nein, sagte ich kleinlaut, die bleiben ungeschoren, weil sie das Netz ja für alle zur Verfügung stellen. Sie sind die Guten! Und wer sind die Schurken? Die Schurken sind Verlage, die Bücher drucken, und Autoren, die sich einbilden, dafür ein Honorar verlangen zu dürfen. Wieder ein langes Schweigen.

    Er: Also wirst du in Zukunft die von dir verlegten Bücher nicht mehr ins Netz stellen? Ich: Das geht leider nicht, weil wir und die Autoren auf das Geld für elektronische Bücher angewiesen sind. Und wenn wir die Bücher nicht ins Netz stellen, werden sie von Piraten ins Netz gestellt. Das Telefonat wurde langsam ungemütlich, auch weil ich mich zunehmend schämte, einem armen griechischen Schlucker die neuen Spielregeln des Netzes erklären zu müssen.

    Ein Leben ohne Internet?
    Im Internet ist ja alles gratis, auch unser Telefonat über Skype. Was sagen eigentlich die deutschen Buchhändler dazu?, kam es aus Athen. Ach, rief ich, die sind verzweifelt! Je mehr Menschen sich Texte herunterladen, desto heikler werden die Überlebenschancen für die Buchhandlungen. Manche behelfen sich schon mit Non-Book-Angeboten. Non-Book-Angebote?, kam es durch den Äther. Ja, Kerzenständer, Vasen, Geschenkartikel. Aber leider gibt es ja schon genügend Kerzen-, Vasen- und Geschenkeläden, deshalb ist das schwierig, und im Übrigen werden diese Sachen ja in der Hauptsache über das Netz eingekauft. Wer eine neue Vase braucht, bestellt sie im Netz, verstehst du? Auch der Kerzenständer wird gern im Netz geordert. Hundefutter, Batterien, Klamotten, Gardinen, alles Netzwerkkäufe. In zehn Jahren wird es keine Läden mehr geben, nur noch Netz.

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    Quelle

BOERSENBLATT:  "Mildernde Umstände für den Dieb" - Gespräch mit Joseph von Westphalen
    Joseph von Westphalen hat den Aufruf zum Schutz des Urheberrechts unterzeichnet. Man muss Farbe bekennen, sagt er und kommt sich zugleich spießig vor. Ein Gespräch.

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