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Internat und ploetzlich Freundinnen

Internat und ploetzlich Freundinnen

Titel: Internat und ploetzlich Freundinnen
Autoren: Dagmar Hoßfeld
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„Die kommt garantiert keine Sekunde früher, als sie unbedingt muss!“
    Ihre Mutter öffnet ihre Handtasche und zieht einen dicken wattierten Briefumschlag heraus.
    „Post von Papa“, sagt sie und reicht Carlotta den Brief. „Sein Reisetagebuch. Er hat mich gebeten, es dir zu geben, wenn die Schule wieder anfängt.“
    „Cool, danke!“ Carlotta nimmt das Päckchen strahlend entgegen. Seit ihr Vater die geniale Idee hatte, ihr regelmäßig seine Reisetagebücher zu schicken, hat sie das Gefühl, immer ein bisschen bei ihm zu sein. Es ist fast so, als könnte sie ihm bei seiner Arbeit über die Schulter gucken. Sie schlüpft schnell ins Zimmer zurück und wirft das Päckchen auf ihr Bett.
    „Herrje, ich muss mich wirklich sputen“, seufzt ihre Mutter mit einem Blick auf die Uhr. „Tut mir leid, Carlotta-Maus.“
    „Kein Problem“, versichert Carlotta und überhört den Kosenamen großzügig. „Wir sehen uns doch schon bald wieder, spätestens am nächsten Besuchswochenende. Komm, ich bring dich zum Auto.“ Sie findet lange Abschiedsszenen peinlich. Wenn man auf ein Internat geht und in die Sechste kommt, sollte man es kurz und schmerzlos machen.
    Auf dem Weg nach unten treffen sie Frau Heselein, von ihren Schülern auch liebevoll Frau Eselbein genannt. Sie ist Carlottas Klassenlehrerin und Hausmutter.
    „Schön, dass du wieder da bist“, begrüßt sie Carlotta. „Vergiss nicht, dich gleich im Sekretariat zurückzumelden und deine neue Büchereikarte abzuholen.“
    Carlotta verspricht es. Frau Heselein wendet sich an ihre Mutter und wechselt ein paar Worte mit ihr. Carlotta findet es blöd, daneben zu stehen und zuzuhören, aber zum Glück dauert das Gespräch nicht lang. Mama scheint nicht die Einzige zu sein, die in Eile ist.
    „Entschuldigen Sie vielmals, ich muss weiter.“ Frau Heselein verabschiedet sich mit einem bedauernden Schulterzucken. „Am Ankunftstag nach den Ferien ist hier immer die Hölle los.“
    Wenig später stehen Carlotta und ihre Mutter auf dem Parkplatz und verabschieden sich voneinander. Die weiß getünchte Schlossfassade strahlt in der Sonne. Das Dach mit seinen Erkern und den vielen Schornsteinen leuchtet in einem kräftigen Rot. Auf dem Schlossturm weht die Fahne des Internats, blau mit einem gelben Wappen. Über allem spannt sich ein Sommerhimmel wie aus dem Bilderbuch. Die vielen kleinen Wattewölkchen, die der Wind leicht vor sich hertreibt, erinnern Carlotta an plüschige Schäfchen.
    Wie an einer Perlenschnur aufgezogen rollen jetzt unentwegt Autos vor das Schloss. Ihre Türen werden geöffnet, die Neuankömmlinge klettern heraus und sehen sich um. Die Luft ist erfüllt von ihrem Lachen und den lauten Begrüßungsrufen.
    Carlotta versucht, in dem Gewusel ein bekanntes Gesicht zu entdecken, aber von Manu und Sofie ist immer noch nichts zu sehen. Dafür erspäht sie in der Ferne zwei Mädchen aus ihrem Jahrgang: Nadine und ihre Busenfreundin Simone. Die beiden Blondinen haben mehrere große Koffer neben sich aufgetürmt.
    Carlotta fragt sich, wie sie das umfangreiche Gepäck die Schlosstreppe hinaufbekommen wollen, aber das ist zum Glück nicht ihr Problem.
    „Auf Wiedersehen, Mäuschen“, sagt Frau Prinz-Mohr, bevor sie in ihr Auto steigt. „Pass gut auf dich auf.“
    „Mach ich“, verspricht Carlotta.
    „Und vergiss nicht anzurufen“, wiederholt ihre Mutter zum x-ten Mal.
    Carlotta zeigt auf ihr Handy. „Keine Sorge, Mama. Gute Fahrt und viele Grüße an die Zwillinge. An Steffen natürlich auch“, fügt sie der Form halber hinzu. Sie tritt einen Schritt zur Seite und winkt. Ihre Mutter winkt zurück.
    „Tschüß, Carlotta-Mäuschen!“
    „Tschüß, Mama!“ Carlotta winkt und winkt. Und dann ist das Auto mit ihrer Mutter plötzlich verschwunden, fast so, als hätten die hohen Alleebäume, die links und rechts neben der Schlosszufahrt stehen, die beiden verschluckt.
    Aufatmend schiebt Carlotta ihr Handy in die Tasche und dreht sich um.
    „Hi, Carlotta!“, ruft ein braunhaariger Junge ihr zu.
    „Hi, Brendan!“, ruft Carlotta fröhlich zurück.
    Der Mitschüler schultert einen riesigen Rucksack und stapft die Schlosstreppe hinauf. Carlotta geht in die entgegengesetzte Richtung. Das Sekretariat und die Büchereikarte können noch ein bisschen warten. Und große Lust, alleine in ihrem Zimmer zu hocken und auf ihre Zimmergenossinnen zu warten, verspürt sie auch nicht. Lieber will sie an den See gehen und das bisschen Freiheit genießen, das ihr noch
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