Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
Karten und starrte in die blauen Flammen des erlöschenden Feuers.
    «Also hören Sie, ich meine, ist das nicht ein bißchen unmoralisch und unprofessionell oder unyardgemäß oder so was?»
    «Bestimmt», sagte Jury. «Racer würde ausrasten. Wenn er das nicht sowieso schon dauernd täte.»
    «Aber was ist mit Tommy? Er muß es doch erfahren.»
    Jury blickte von den Karten auf. «Großer Gott, Sie nehmen es aber genau mit der Wahrheit, was? Glauben Sie, es würde ihm was nützen, wenn er wüßte, daß seine Tante zwei Frauen ermordet und es bei einer dritten versucht hat?»
    Eine leichte Röte überzog Plants Gesicht. «Gewiß nicht. Aber gibt es nicht eine andere Lösung? Ich meine, er muß doch erfahren, daß er nicht der rechtmäßige Erbe ist.»
    Tonlos meinte Jury: «Ich wüßte nicht, warum.»
    «Ja, zum Teufel, ich aber. Zum einen will er gar kein Marquis sein; der Fortbestand des Hauses liegt ihm keineswegs am Herzen. Er möchte einfach nur Snooker spielen.»
    «Dem steht nun nichts mehr im Wege.»
    «Meinen Sie? Wenn seiner Tante Betsy etwas … etwas zustieße, hätte er bestimmt schreckliche Gewissensbisse», sagte Plant, den das Gespräch und der Alkohol immer mehr in Fahrt brachten. «Er würde wahrscheinlich für immer die Flinte ins Korn werfen – ich meine, das Queue wegstellen.» Er stand erregt auf und trat an den Kamin.
    Jury legte die Karten aufgefächert auf den Tisch und trank einen Schluck. «Übertreiben Sie mal nicht. Er ist genau wie Parmenger. Nichts kann ihn aufhalten. Ziehen Sie eine.»
    «Nein.»
    «Na machen Sie schon. Sie werden sich gleich viel besser fühlen. Es ist ein Trick.» Jurys Lächeln verschwand, als er an das Tor der Bonaventura-Schule dachte. «Wenn auch kein sehr guter.»
    «Ich verstehe einfach nicht, wie Sie den jungen Whittaker in eine solche Lage bringen können.»
    «Deswegen hat er seine Partie noch lange nicht verloren. Er doch nicht. Ganz im Gegenteil.»
    Plant schwieg; er hatte die Hände um das Glas gefaltet und starrte mit gerunzelter Stirn ins Feuer, als suche er nach neuen Argumenten. «Ich hätte gedacht, daß Sie – diese Frauen gerne gerächt sehen würden.»
    Jurys Hand mit dem Glas darin verharrte mitten in der Bewegung. «Das ist das Dümmste, was ich je aus Ihrem Mund gehört habe. ‹Gerächt›. Wenn ich auf Rache aus wäre, dann hätte mir ein Blick auf Lady St. Leger genügt.»
    «Ich spreche von Gerechtigkeit.»
    «Sie sprechen von der Gerechtigkeit des Gesetzes.» Jury schnaubte verächtlich. Er hatte den Eindruck, daß sie beide schon ziemlich betrunken waren. Er sollte besser Cullen verständigen. Und Racer. Doch er goß sich lieber einen weiteren Drink ein und schob die Flasche seinem Freund hinüber.
    «Vielleicht nicht gerade diese Sleight. Aber was ist mit Helen Minton? Wird ihr Tod einfach ad acta gelegt? Ich hatte eher den Eindruck, daß Sie … ach, schon gut.»
    Jury starrte in sein Whiskyglas und schwenkte es, so daß kleine, bernsteinfarbene Wellen entstanden. Er dachte an Isobel Dunsany, die in diesem verlassenen Kaff an der Nordsee von ihren Erinnerungen an glanzvolle alte Zeiten lebte.
    «Ihr Tod wurde nicht einfach ad acta gelegt. Ich habe sie doch nur ein paar Stunden gekannt.» Jury hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen. Als ob die Dauer einer Bekanntschaft das Maß des persönlichen Engagements bestimmen könnte! Er wich Melrose Plants forschendem Blick aus.
    Plant bemerkte nur einfühlsam: «Aber Sie mochten sie.»
    «Ich habe schon viele Frauen gemocht», sagte Jury lässig und hoffte, damit den Anschein eines knallharten Detektivs aufrechtzuerhalten, der sich seinen Weg durch Scharen von schönen Frauen bahnte. Natürlich vergeblich. «Haben wir das nicht alle?» Er sah Melrose an.
    «Lenken Sie nicht ab.»
    Jury tat es trotzdem, da ihm dieses Thema widerstrebte. «Ich konnte mir anfangs einfach nicht zusammenreimen, warum der Marquis und die Marquise nicht einfach einen Erben adoptierten – statt einen zu klauen, um es mal so lapidar zu formulieren.»
    «Weil ein Adelstitel sich so nicht übertragen läßt. Keine Adoptionen, keine zweifelhafte Herkunft.» Melrose starrte auf das glühende Ende seiner Zigarre wie das sprichwörtliche Kaninchen, das hypnotisiert in das Auge der Schlange blickt. «Noch nie was von dem alten Needwood, Graf Dearing, gehört? Er behauptete, das Kind, das die Gräfin zur Welt gebracht hatte, sei nicht von ihm. Versuchte ungefähr drei Dutzend Zeugen beizubringen, die das bestätigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher