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Inspector Jury bricht das Eis

Inspector Jury bricht das Eis

Titel: Inspector Jury bricht das Eis
Autoren: Martha Grimes
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zornig an. «Diese unerträgliche Person. Sie war gefährlicher als alle anderen, dabei kannte ich sie nicht einmal.»
    «Erpressung also?» fragte Jury.
    «Erpressung – meinen Sie Geld ?» Es klang, als hätte sie sich mit diesem Zeug noch nie die Hände schmutzig gemacht. «Machen Sie sich nicht lächerlich. Es war ihr neuer Schlüsselroman. Sie glauben doch wohl nicht, ich hätte so etwas zugelassen. Nicht, nachdem ich solche Mühe mit Grace und Helen Minton hatte. Und die waren viel ungefährlicher. Reine Unsicherheitsfaktoren. Aber bei Beatrice Sleight sah das anders aus. Ganz anders. Sie hat mir einfach die Pistole auf die Brust gesetzt.»
    «Und da Sie und Charles Seaingham gelegentlich zusammen auf die Jagd gegangen sind – Fasane, Moorhühner und so weiter –, wußten Sie genau, wo die Gewehre stehen, und Sie kannten sich mit Feuerwaffen aus. Und da haben Sie Beatrice Sleight zu einem Gespräch unter vier Augen nach unten gelockt …»
    Sie nickte steif. Ihr Gesicht wurde aschfahl. Sie tastete nach dem Stuhl, der hinter ihr stand, und setzte sich nun schließlich doch. «Die Polizei durfte natürlich nicht anfangen, nach einem Zusammenhang zwischen Beatrice Sleights Büchern und … und jemandem, der sie möglicherweise am Schreiben hindern wollte, zu suchen. Andererseits gab es nicht den geringsten erkennbaren Grund, warum ich Grace Seaingham aus dem Weg räumen sollte. Kein Motiv.»
    Sie holte tief Luft. «Das Kind wurde auf einer von Irenes und Richards Reisen geboren: Kenia. Ach, diese Safaris waren ja keineswegs gefährlich, sie brauchten sich nicht durch den Dschungel zu kämpfen oder vor Nashörnern davonzurennen: Sie hatten einen Führer, alles war im voraus geplant und gut organisiert. Üppige Bankette und so weiter …» Ihre Verachtung für dergleichen Unternehmungen war offenkundig. «Jedenfalls hat Irene mich angerufen, völlig hysterisch, als sie von den Ärzten erfuhr, daß das Kind einen Dachschaden hatte. Sie war schon immer ein flatterhaftes, kopfloses Ding gewesen, unfähig, ihre Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Und Richard war auch nicht besser. Ich versprach ihnen, die Sache zu regeln.»
    «Sie fackeln nicht lange, Lady St. Leger, wenn es darum geht, das Leben anderer Menschen zu regeln, habe ich recht?»
    Das Blut schoß ihr ins Gesicht. «Zufälligerweise liebe ich meinen Neffen. Auch wenn Sie mich vielleicht eines solchen Gefühls nicht für fähig halten – trotzdem ist es so.»
    «Wo sind Sie Helen Minton begegnet?» fragte Jury weiter, ohne auf ihre Beteuerungen einzugehen.
    «Auf einem Ausflug nach Old Hall. Sie hatte mich noch nicht gesehen, aber ich habe sie sofort erkannt an Hand der Fotos, die Edward mir gezeigt hatte. Ich konnte es kaum glauben – ich meine, daß sie es war. Daß sie in Washington wohnte, konnte ich mir nur damit erklären, daß sie Nachforschungen über den Verbleib ihres Kindes anstellte. Ich … ich habe mich mit ihr angefreundet …»
    Die Kälte in Jurys Stimme war förmlich mit Händen zu greifen: «Eine seltsame Art, sich mit jemandem anzufreunden. Akonit ist also auch eine Pflanze, die man in jedem Garten findet. Eisenhut, nicht wahr? Die Wurzel, die das Gift enthält, sieht aus wie ein Meerrettich. Oder eine Rübe. Helen aß gern so scharfes Zeug wie Meerrettich.»
    «Ich weiß. Ich brachte ihr immer etwas mit, wenn ich sie besuchte.»
    «Es war also nicht ihr Medikament?»
    «Nein. Auch bei Grace nicht. Akonit schmeckt leicht süßlich, hinterläßt aber einen bitteren Nachgeschmack. Ich habe es in das Saccharinpulver getan, das Grace immer nimmt. Das Problem ist dabei natürlich die Dosierung. Eine ziemlich unsichere Angelegenheit. Aber in Helen Mintons Fall habe ich eine andere Sorte benutzt, die ich auf einer Indienreise entdeckt habe. In Nepal, soweit ich mich erinnere …» Sie ließ ihren Blick schweifen, als gingen ihr vergnügliche Reiseerlebnisse durch den Kopf. «Ja, Nepal. Nabee heißt es dort. Es enthält Pseudoakonitin. Eines der tödlichsten Gifte überhaupt. Entschuldigen Sie diesen toxikologischen Exkurs –»
    «Schon gut. Man gewöhnt sich an alles, jedenfalls an fast alles. Helen Minton litt an Herzkammerflimmern. Wenn sie nicht gerade in Old Hall gestorben wäre, hätten alle an einen natürlichen Tod geglaubt.»
    Elizabeth St. Leger sah ihn verwundert an. «Sie scheinen sie gekannt zu haben?»
    Jury schraubte seinen Füllfederhalter auf und zog ein Blatt Papier aus der Tasche. «Ja, ich kannte sie.»
    «Tut mir
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