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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim
Autoren: Peter Robinson
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Getränke und setzte sich mit Jenny Füller an einen Tisch in der Ecke. Mit dem ersten großen Schluck Theakston's Bitter spülte er den Archivstaub und den Fäulnisgeruch hinunter.
      »Und?«, sagte Jenny und hob das Glas wie zu einem Trinkspruch. »Welchem Umstand verdanke ich die Ehre?«
      Sie sieht umwerfend aus, dachte Banks: Das dicke rote Haar fiel ihr auf die Schultern, die smaragdgrünen Augen funkelten voller Humor und Lebensfreude, ihr frischer Duft vertrieb den kalten Rauchgeruch und ließ ihn an die Apfelgärten seiner Kindheit denken. Banks war zwar verheiratet, hätte aber einmal fast etwas mit Jenny angefangen. Hin und wieder verspürte er einen Stich des Bedauerns, es nicht versucht zu haben.
      »Wiedergeburt«, erwiderte Banks und stieß mit ihr an.
      Jenny hob die Augenbrauen. »Also, ich trinke ja auf so manches«, sagte sie, »aber ist das jetzt nicht ein bisschen hoch gegriffen, Alan?«
      Banks erklärte ihr, was er bisher herausgefunden hatte. Als er fertig war, wurde seine Schweinepastete serviert, dazu eine große eingelegte Zwiebel. Während Jenny über seine Schilderung nachdachte, viertelte er die Zwiebel und gab sich zum Dippen einen Klecks HP-Sauce auf den Teller.
      »Phantasie«, sagte sie schließlich.
      »Könntest du ein wenig deutlicher werden?«
      »Es gibt unglaublich viele sonderbare Phänomene, für die man eine logische Erklärung finden muss, wenn man nicht an Wiedergeburt glaubt. Ich bin natürlich keine Expertin für Parapsychologie, aber die meisten Menschen, die behaupten, schon einmal gelebt zu haben, kommen durch Hypnose, Träume oder Deja-vu-Erlebnisse auf diese Idee, wie du eben selbst gesagt hast. Manchmal auch durch spontane Erinnerungen.«
      »Was versteht man darunter?«
      »Wie der Name schon sagt: wenn man sich unvermittelt an ein anderes Leben erinnert. Kinder, die ohne Unterricht Klavier spielen können, Menschen, die plötzlich Fremdsprachen beherrschen, solche Sachen. Oder Erinnerungen, die man sich nicht erklären kann, die nicht aus dem eigenen Repertoire stammen können.«
      »Du meinst, wenn ich die Straße entlanggehe, plötzlich an einen römischen Soldaten denken muss und mir irgendein Wort auf Lateinisch einfällt, dann erinnere ich mich an ein früheres Leben?«
      Jenny warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Tu nicht so dumm, Alan! Natürlich glaube ich das nicht. Aber manche Leute schon. Die sind dermaßen naiv, das ist unglaublich, besonders wenn es ums Leben nach dem Tod geht. Nein, ich wollte damit nur sagen, dass die Anhänger der Wiedergeburtstheorie solche Erlebnisse als Beweis ansehen.«
      »Und wie würde eine logisch denkende Psychologin das erklären?«
      »Sie könnte argumentieren, dass das, woran sich jemand unter Hypnose, in Träumen oder unter welchen Umständen auch immer erinnert, nur ein Phantasiegebilde aus Versatzstücken ist, die er einmal gesehen oder gehört und dann vergessen hat.«
      »Aber Singer behauptet, noch nie hier gewesen zu sein.«
      »Es gibt Fernsehen, Bücher, Filme.«
      Banks hatte aufgegessen, trank einen Schluck Theaks-ton's und zündete sich eine Silk Cut an. »Du willst also sagen, dass unser Mr Singer vielleicht eine Folge zu viel von Der Doktor und das liebe Vieh geguckt hat?«
      Lachend warf Jenny das Haar zurück. »Würde mich nicht wundern.« Sie sah auf die Uhr und trank das Glas aus. »Tut mir leid, aber ich muss mich beeilen.« Augenblicklich sprang sie auf, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und war weg. Jenny war immer in Eile. Manchmal fragte Banks sich, wohin sie so schnell wollte.
      Er ließ sich durch den Kopf gehen, was sie gesagt hatte. Es leuchtete ihm ein, jedenfalls mehr als Singers Theorie von der Wiedergeburt und als der Verdacht, Joseph Athertons Eltern könnten den Mord an ihrem Sohn vertuscht haben.
      Aber es blieb die nicht überprüfbare Behauptung mit dem Brief und die anonyme Nachricht über den roten VW. Wenn Joseph Atherton von einem Fremden zum Hof gefahren worden war, dann hatten seine Eltern gelogen, was den Brief anging. Aber warum? Und wer könnte das Auto gefahren haben?
     
     
    * 7
     
    Als Banks zwei Tage später seine Post durchging, stieß er auf ein in Schreibschrift an ihn adressiertes Kuvert. Inmitten der Umläufe und offiziellen Mitteilungen stach es heraus wie ein Relikt aus vergangener Zeit. Banks faltete den Brief auseinander, legte ihn vor sich auf den Tisch und las.
     
    Lieber Mr
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