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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim
Autoren: Peter Robinson
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Banks,
      ich bin kein großer Briefeschreiber, deshalb entschuldigen Sie meine Fehler. Weil ich ein kränkliches Kind war, habe ich nicht viel Unterricht bekommen, aber mein Vater hat uns immer gesagt, Lesen und Schreiben ist wichtig. Ich weiß nicht, warum Sie gekommen sind und die ganzen Fragen gestellt haben, aber Sie haben mich zu dem Entschluss gebracht, dass es Zeit ist, nach all den Jahren meinen Frieden mit Gott zu machen und die Wahrheit zu sagen. Was wir der Polizei gesagt haben, stimmt nicht. Unser Joseph hat uns nicht geschrieben, dass er kommen würde, und Bert hat ihn auch nicht vom Bahnhof abgeholt. Joseph tauchte eines Tages einfach so in einem roten Auto auf. Ich weiß nicht, wer der Polizei von dem roten Auto erzählt hat, vielleicht war es Len Grimond vom Hof weiter unten, er hatte sich nämlich mit Bert gestritten, wer die Ausbesserung der Mauer bezahlen soll.
      Aber es war nicht das Auto von unserem Joseph. Er kam mit einer amerikanischen Frau, die Annie hieß und selber fuhr. Sie hatten ein kleines Kind dabei, und sie sagten, es wäre ihres. Also war das wohl unser Enkelsohn, auch wenn wir noch nie von ihm gehört hatten. Unser Joseph hatte uns vier Jahre lang nicht besucht und nichts von sich hören lassen. Wir wussten gar nicht, ob er noch lebte. Der Kleine war ein lieber Junge, zwei oder drei Jahre alt, er guckte immer ganz ernst.
      Also, von Anfang an war klar, dass irgendwas nicht stimmte. Wir versuchten, gute, freundliche Eltern zu sein und die drei in unserem Haus aufzunehmen, aber die Frau hatte schlechte Laune und wollte nicht bleiben. Der Kleine weinte ständig, ich glaube, die kümmerten sich nicht richtig um ihn, aber das ging mich ja nichts an. Und Joseph benahm sich wirklich komisch. Er hatte ganz kleine, glasige Augen. Wir wussten nicht, was los war. Ich glaube, er wollte nur Geld, so hörte es sich jedenfalls an. Sie wollten nichts essen, obwohl ich einen guten Braten und Yorkshire-Pudding machte, aber unser Joseph stocherte nur im Essen herum, und die Frau saß mit langem Gesicht daneben, den Kleinen auf dem Arm, und wollte gehen. Sie meinte, sie wäre Vegetarierin. Nach dem Essen wurde Joseph irgendwie nervös und meinte, er müsste zur Toilette. Aber Bert fand schon komisch, wie er sich benahm, außerdem war er ein bisschen sauer, weil die beiden so unhöflich waren. Auch wenn Joseph unser Sohn war. Joseph blieb lange auf der Toilette. Bert rief zu ihm hoch, aber es kam keine Antwort. Die Frau meinte, wir sollten ihn in Ruhe lassen, und lachte, aber das war ein hässliches Lachen. Wir dachten, er wäre vielleicht krank, deshalb ging Bert nach oben und fand Joseph mit einem Strick um den Arm. Er hatte einen Löffel in der Hand und hielt ein Streichholz darunter. Es war einer von unseren Löffeln von der Silberhochzeit, den er, ohne zu fragen, aus der Küche genommen hatte. Wir waren nur dumme Bauern, wir wussten nicht, was es damals für Verbrechen und Drogen gab, nicht so wie Sie, Mr Banks, aber wir wussten, dass unser Joseph etwas Schlimmes tat. Bert verlor die Geduld und zerrte Joseph aus dem Badezimmer. Oben auf der Treppe beschimpfte Joseph seinen Vater. Er sagte Wörter, die ich noch nie gehört hatte und auch nicht wiederholen kann. Da verlor Bert die Geduld und schlug Joseph. Er wollte ihn nicht verletzen, weiß Gott nicht. Joseph war unser einziger Sohn, und wir liebten ihn, auch wenn er mir das Herz brach. Aber als Bert ihn schlug, fiel Joseph die Treppe runter, und als er unten lag, war sein Kopf so komisch verdreht. Ich wusste sofort, dass er sich das Genick gebrochen hatte. Die Frau fing an zu schreien, packte sich das Kind, lief nach draußen und fuhr weg. Wir haben sie nie wiedergesehen, unseren Enkel auch nicht, wir wissen nicht, was aus ihm geworden ist. Als der Motor vom Auto nicht mehr zu hören war und Joseph ganz verdreht unten vor der Treppe lag, war es so still, wie man es sich nicht vorstellen kann. Wir fühlten nach seinem Puls, und Bert hielt ihm sogar einen Spiegel unter die Nase, um zu sehen, ob er von seinem Atem beschlug, aber es war nichts zu sehen. Ich weiß, wir hätten die Wahrheit sagen sollen, wir haben es all die Jahre lang bereut. Wir wurden zu anständigen, ehrlichen Menschen erzogen, die die Eltern, den lieben Gott und das Gesetz achten. Bert schämte sich, dass sein Sohn drogensüchtig war, er wollte nicht, dass es in der Zeitung stand. Ich wollte nicht, dass er ins Gefängnis kam, weil es ja eigentlich ein Unfall gewesen war
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