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Inspector Banks kehrt heim

Titel: Inspector Banks kehrt heim
Autoren: Peter Robinson
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die Hölle, die ich Tag für Tag ertragen muss. Wenn Sie es mit Ihrem Gewissen vereinbaren können, einem ergebenen Fan in Not zu helfen, so bitte ich Sie, mich am Mittwoch, dem 19. August, um 14 Uhr im Dachrestaurant des Park Plaza Hotels zu treffen. Ich habe mir den Nachmittag freigenommen und werde auf Sie warten, falls Sie aus irgendeinem Grund erst später erscheinen können. Seien Sie unbesorgt, ich werde Sie mithilfe der Fotos auf den Umschlägen Ihrer Bücher leicht erkennen. Mit hoffnungsvollen Grüßen
    ein Fan
     
    Der Brief glitt Quilley aus der Hand. Das war ja wohl unglaublich! Als Autor von Kriminalromanen bestand seine Spezialität darin, sich geniale Morde auszudenken - doch dass jemand annehmen konnte, er würde dies auch im wirklichen Leben tun, war absurd. Erlaubte sich hier jemand einen derben Scherz mit ihm?
      Er hob den Brief auf und las ihn erneut. Der flehende Tonfall des Mannes und sein gekünstelter Stil wirkten aufrichtig, und je mehr Quilley darüber nachdachte, desto sicherer wurde er, dass keiner seiner Freunde so unverschämt war, ihm einen derartigen Streich zu spielen.
      Angenommen, der Brief war echt, wie sollte Quilley reagieren? Sein erster Impuls war, das Papier zu zerknüllen und in den Müll zu werfen. Oder sollte er zur Polizei gehen? Nein. Das wäre reine Zeitverschwendung. Anders als in seinen Romanen war die Polizei eine furchtbar schwerfällige, phantasielose Truppe. Sie würde wahrscheinlich annehmen, er wolle bloß die Aufmerksamkeit der Presse auf sich ziehen.
      Er merkte, dass er den Brief unbewusst in der Faust zerknüllt hatte. Gerade wollte er ihn in die Ecke werfen, da besann er sich eines Besseren. Gab es nicht noch eine andere Möglichkeit? Warum nicht hingehen und sich mit dem Mann treffen? Mehr über ihn herausfinden und abklopfen, ob er es ernst meinte. Das würde doch zu nichts verpflichten. Quilley müsste sich lediglich zur vereinbarten Zeit im Park Plaza einfinden und abwarten, was geschehen würde.
      Quilleys Leben war perfekt - keine lästige Frau, die ihm auf die Nerven ging, jede Menge Geld (hauptsächlich aus dem Verkauf seiner Bücher in Amerika), ein schönes Häuschen am See in der Nähe von Hunts-ville, ein bisschen Ruhm, die Anerkennung seiner Kollegen -, doch in jüngster Zeit war ihm ein wenig langweilig geworden. Jetzt bot sich ihm die Gelegenheit, so etwas wie ein Abenteuer zu erleben. Außerdem sprang für ihn bei dem Treffen vielleicht die Idee für eine neue Geschichte heraus. Warum also sollte er nicht einfach hingehen?
      Er leerte sein Glas und strich den Brief auf dem Knie glatt. Bei den letzten Sätzen musste er grinsen. Sicherlich würde der Mann ihn mithilfe des Umschlagfotos erkennen, auch wenn diese Aufnahme ziemlich alt und außerdem schon damals retuschiert worden war. Inzwischen war Quilleys Gesicht etwas runder geworden, und das dünner werdende Haar ergraute langsam. Dennoch fand er, dass er für seine fünfzig Jahre ein attraktiver Mann war - gut aussehend, klug und erfolgreich.
      Mit einem Lächeln nahm er Brief und Umschlag an sich und ging in die Küche, um Streichhölzer zu suchen. Es durfte keine Beweise geben.
      In den folgenden Tagen verschwendete Quilley kaum einen Gedanken an den geheimnisvollen Brief. Wie jeden Sommer blieb er die Woche über in Toronto und schrieb - er empfand die Stadt als stimulierend. Das Wochenende verbrachte er in seinem Haus am See. Dort ging er im Wald spazieren, plauderte in der Kneipe mit den Ortsansässigen, schwamm im klaren See und bräunte sich beim Faulenzen in der Sonne. Abends öffnete er eine Flasche Chardonnay, las zum wiederholten Male P. G. Woodhouse und hörte Bach. Sein Leben war perfekt: ruhig, zurückgezogen, unabhängig.
      Trotzdem fuhr er am Mittwoch in die Stadt, stellte sein Auto im Parkhaus Cumberland Street Ecke Avenue Road ab und ging zu Fuß zum Park Plaza. Es war heiß. Auf der anderen Straßenseite der Bloor Street befand sich das Royal Ontario Museum. Davor wimmelte es von Touristen, hauptsächlich Amerikaner aus Buffalo, Rochester oder Detroit: Männer in grellkarierten Hemden fotografierten alles, was ihnen vor die Linse kam, ihre Frauen in knappen kurzen Hosen wirkten durstig und erschöpft.
      Quilley fuhr mit dem Fahrstuhl hoch in den achtzehnten Stock und schlenderte durch die Bar, einen altmodisch anmutenden Raum mit tiefen Sesseln und gerahmten Drucken an den Wänden, Szenen aus der Kolonialzeit. Es war voller als gewöhnlich, und
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