Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co.
Autoren: Andreas Straub
Vom Netzwerk:
der Höh’?» muss der Brandfux noch einen vorbereiteten Fuxenfraß und einen Fuxentrank zu sich nehmen – häufig sehr spezielle Mischungen. Die Fuxenbrandung findet sich im Comment unter der Überschrift «Heitere Kneipzeremonien». Humor ist bekanntlich individuell. Denn «anschwärzen» ist eigentlich nichts Positives. Der Duden zum Beispiel schlägt als Synonyme «entwürdigen», «herabwürdigen», «her‑ untermachen», «schlecht machen» und «schmähen» vor.
    Wer in eine Burschenschaft eintritt, weiß normalerweise, worauf er sich einlässt. Er kennt die erniedrigenden Aufnahmerituale, die bizarren Praktiken der Männervereinigungen, akzeptiert sie, in der Hoffnung, dazu gehören zu dürfen und später vom lebenslangen Netzwerk Gleichgesinnter zu profitieren.
     
    Patrick H. ( 20 ) aus Lahr im Schwarzwald wollte keinem reaktionären Elite-Club beitreten, sondern seine Ausbildung zu Ende absolvieren. Sein erster Ausbildungsbetrieb, ein Getränkemarkt im Einzelhandel, ging pleite. Weil er gute Noten in der Schule und gute Leistungen im Betrieb abgeliefert hatte, bekam er sofort einen Job und konnte die Lehre im Zentrallager eines namhaften, großen, international agierenden deutschen Konzerns noch abschließen. Aldi, dachte Patrick H., das ist ein seriöser und guter Arbeitgeber. Dabei fühlte sich im Zentrallager Mahlberg, in dem er angestellt wurde, vieles gleich zu Beginn merkwürdig an.
    Da waren Bereichsleiter, die ihre Mitarbeiter von einem höher liegenden Büro mit Ferngläsern beobachteten.
    Da waren Kollegen, die sich auffällig unauffällig nach dem Privatleben erkundigten und Patrick H. rieten, es besser offenzulegen.
    Da waren Kameras, die mitten in der Lagerhalle, in der kein Kundenverkehr herrscht, hingen und eigentlich nur der Mitarbeiterbeobachtung dienen konnten.
    Da war eine Spionbox, ein kleiner Holzverschlag, vergleichbar mit einer Umkleidekabine, direkt neben den Aktionsartikeln aufgebaut. Da war, als die Türe einmal kurz offen stand, ein kleiner Hocker mit einem Kissen zu sehen, das einem Detektiv mit wachsamem Auge ein wenig Komfort bieten sollte.
    Da waren kleine Sticheleien und größere Schikanen. Führungskräfte, die Fehler von Azubis gezielt provozierten und dann vor versammelter Mannschaft ins Lächerliche zogen. «Wir werden fürs Denken bezahlt, ihr fürs Arbeiten», verkündeten sie gerne.
    Und nun war da auch Patrick H., der neue junge Mann, der all das mit offenen Augen und wachem Verstand beobachtete. Seine Vorgesetzten hingegen schienen sich nicht besonders für ihn zu interessieren. Nur einmal, als er ohne jemanden zu informieren mit einem neuen Wagen auf den Parkplatz fuhr, sprach ihn nach kaum einer halben Stunde der Fernglas-Manager an: «Habbe Sie e neues Audo?».
     
    Patrick H. erduldete vieles, aber was er gleich zu Beginn seiner Zeit bei Aldi Mahlberg im Sommer 2012 erleben musste und jetzt enthüllt, ist nicht nur abartig, sondern auch strafbar: «Ich war gerade in der Halle für Aktionswaren eingeteilt und hatte einen Auftrag fertiggestellt, als der stellvertretende Bereichsleiter Warenbereitstellung Thomas K., einer meiner Chefs, mich anwies, mit meinem Flurförderzeug in den hinteren Teil der Halle zu fahren. Andere Mitarbeiter bräuchten meine Hilfe, sagte er. Mit einem Trick, eine Kiste Wein stand dort auf dem Boden, lockten sie mich zu einem Pfosten. Mehrere Mitarbeiter, die schon bereitstanden, und der stellvertretende Bereichsleiter packten mich und drückten mich plötzlich an den Pfosten. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Einer drückte meinen Körper an den Pfeiler, zwei weitere meine Arme und ein vierter hielt meine Beine fest. Ich versuchte es zwar, aber ich hatte keine Chance, mich loszureißen und mich zu befreien. Ein weiterer Mitarbeiter band mich dann mit Verpackungsfolie am Pfeiler fest. Sie war so stark gespannt, dass ich kaum mehr atmen konnte. Herr K. kam mit einem wasserfesten Edding auf mich zu und malte mein Gesicht an. Ich sagte ihm noch, dass ich empfindliche Haut habe und zu dieser Zeit unter einem Ausschlag litt. Aber er zeigte keine Reaktion und malte los.
    Anfangs spielte ich, wohl oder übel, mit, lachte selbst noch. Was blieb mir anderes übrig? Ich wollte nicht, dass die anderen schlecht über mich denken oder mich für ein Weichei hielten. Aber mit der Zeit wurde ich aggressiver. Erst nach fünf oder zehn Minuten wurde ich endlich losgebunden. Ich war völlig außer mir und habe zuerst mein Gesicht gewaschen. Nach kurzer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher