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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co.
Autoren: Andreas Straub
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vielleicht lag es an ihr, habe ihm vorgehalten, er sei zu teuer. Man setzte nicht mehr auf ihn. Stattdessen versetzte man ihn. Da wurde Piep zum ersten Mal länger krank. Vielleicht wollte er ein Zeichen setzen. Aldi reagierte nicht. Stattdessen begann eine sonderbare Posse, die knapp drei Jahre lang andauerte. Sie handelt von den Gegenmaßnahmen eines schwierigen Arbeitnehmers.
    Wie Piep Aldi ausbeutete
    Er arbeitete immer nur ein paar Tage, bevor ihn eine neue Krankheit «erwischte». In den letzten beiden Jahren waren es höchstens acht Wochen insgesamt, das macht bei seinem Gehalt etwa kopfgerechnete 200  Euro pro tatsächlicher Arbeitsstunde.
    Wenn Piep krank wurde, rief er kurzfristig, normalerweise am selben Morgen, in seiner Filiale an, um sich, wie er sagt, «arbeitsunfähig» zu melden. Einen Grund gab er nie an, müsse er schließlich nicht. Meistens war es «irgendwas Psychisches» und dauerte dann «was länger». Die Diagnosen wechselten, ebenso die zuständigen Ärzte: Hausarzt, Psychiater, Orthopäde, Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Dermatologe.
    Er arbeitete langsam, überzog seine Pausen, kam zu spät.
    Er setzte sich im Lager eine halbe Stunde auf eine Palette. Er wusste schließlich, wo die Kameras sind, erklärt Piep.
    Bisweilen fielen ihm Paletten um, zum Beispiel mit Öl oder Farbe beladen. Aber das geschah keineswegs mit Absicht, wie er lächelnd versichert.
    Er hatte einen Vollzeitvertrag als stellvertretender Filialleiter, noch von früher, arbeitete aber nur als Kassierer.
    Wie Piep seine Vorgesetzten schikanierte
    Vor seinem Spind hing ein eigens angebrachtes, großes Vorhängeschloss. «Ich vertraute hier niemandem», erklärte Piep gerne auch seinen Kollegen.
    Seiner weiblichen Vorgesetzten drückte er zur Begrüßung immer besonders fest die Hand. Wenn sie zusammenzuckte, freute sich Piep.
    Gerne reichte er auch die Hand, wenn er noch den verschmutzten Handschuh anhatte. Aber wehe, er wurde nicht per Handschlag begrüßt. Dann fühlte er sich schon ein wenig beleidigt.
    Kritik an ihm, auch nur die Andeutung davon, brachte ihn auf die Palme: «Ich habe immer Kontra gegeben!», freut er sich. Mitarbeitergespräche titulierte er Vorgesetzten gegenüber offen als «sinnloses Kaffeekränzchen».
    Anweisungen nahm er grinsend zur Kenntnis, vergaß aber, sie umzusetzen.
    Er sagte regelmäßig Sätze wie: «Früher war das anders.» Oder er zweifelte die Kompetenz seiner Vorgesetzten an, indem er ihr erklärte: «Sie sind ja noch nicht so lange dabei wie ich.»
    Akten aus den Piep-Filialen verschwanden oft spurlos. Das löste Suchaktionen und Chaos aus. Aber er habe damit nichts zu tun gehabt, versichert Piep.
    Von seinen Vorgesetzten auf seinen Werdegang und seine weiteren Pläne angesprochen, sagte er: «Ich will hier ganz nach oben kommen.»
    Wenn sie ihm mit wachsender Verzweiflung entgegneten, Lidl sei doch auch nicht schlecht, war seine Aldi-Seele empört …
    Was Aldi nicht wusste
    Für Piep war das ein Spiel. Seine Existenz hing nicht von diesem Job ab. Er kannte seine Kollegen kaum, die wenigsten mit Namen. Er war schließlich so selten da. Wenn sie angewidert auf sein Verhalten reagierten, blieb er betont gelassen. Bei Gesprächen lag immer sein Telefon auf dem Tisch. So ein Smartphone kann ja heute viel. Piep ist stolz auf seine Sammlung von Audiodateien. «Für alle Fälle …», sagt er.
    Der Nachteil seiner Masche: Durch die verringerten Arbeitszeiten hatte er weniger Bewegung. Er musste nun außerhalb des Jobs Sport treiben.
    Auch Benjamin Piep bestätigt das System Aldi, wie ich es schilderte und wie er es kennt. Er wunderte sich selbst, weshalb bei ihm alles anders war. Aber allmählich wehrte sich Aldi, erzählt er. Er wurde schikaniert, bekam vermehrt Testkäufe. Er hatte das Gefühl, man wolle ihn womöglich loswerden. Zur Weihnachtsfeier hätten ihn die Kollegen schon nicht mehr eingeladen. Im Frühjahr 2013 endete seine Aldi-Laufbahn abrupt. Der Discounter setzte ihn vor die Tür. Piep hält nun Ausschau nach einem Supermarkt, der seine Qualitäten zu schätzen weiß.

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Über Andreas Straub
    Andreas Straub, Jahrgang 1984, Diplom-Betriebswirt, war nach seinem Studium der Internationalen Betriebswirtschaftslehre in Kopenhagen und Stuttgart von 2007 bis 2011 zunächst als Trainee und dann als Manager für Aldi Süd tätig. Er arbeitet heute als Berater und freier Autor.

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Über dieses Buch
    Andreas Straub deckt in diesem Buch auf: Mit
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