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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co.
Autoren: Andreas Straub
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Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro» arbeiteten. Ebenso fehlt beispielsweise: «Während die Lohnentwicklung im oberen Bereich positiv steigend war, sind die unteren Löhne in den vergangenen Jahren preisbereinigt gesunken», was das «Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung» verletze.
    Trotz aller Glättungen blieb noch eine Menge übrig: zwölf Millionen Menschen in Deutschland leben an oder unter der Armutsgrenze, 25  Prozent der Beschäftigten arbeiten in Zeitarbeit, Werkverträgen, Praktika, Befristungen, Mini- und Teilzeitjobs oder anderen prekären Verhältnissen. Die soziale Mobilität ist gering. In seiner Kolumne auf
Spiegel Online
erklärte Jakob Augstein die Passivität der Bevölkerung angesichts der offensichtlichen Tatsachen mit einem Kartell der Profiteure: «Die Industrie, die regierenden Parteien, große Teile der Medien, willfährige Forscher und Institute – sie alle helfen, die Tatsachen zu leugnen, zu relativieren, zu ignorieren.» Vielmehr schaffe es sich seine eigene Wirklichkeit. Weiter schreibt er: «Alles dient dem Zweck, die Erträge, die unten erwirtschaftet werden, nach oben fließen zu lassen und gleichzeitig zu verschleiern, dass es sich so verhält.»
    Aber muss nicht in einer globalisierten Welt mehr Ungleichheit und Ungerechtigkeit schlicht akzeptiert werden? Davon scheinen viele insgeheim auszugehen.
    Und natürlich kauft jeder günstig ein. Aber täuscht der Eindruck, dass viele Kunden mittlerweile beim Einkauf genauer hinsehen? Geiz ist geil und alles andere egal – das war einmal. Und es gibt Unternehmen, die das erkannt haben.
    Im Einzelhandel für den vorbildlichen Umgang mit seinen Mitarbeitern gelobt wird immer wieder der dm Drogeriemarkt – nach meiner Einschätzung zu Recht. Die Top-Manager in vielen Discountern sind geleitet von der Grundannahme, dass ihre nachgeordneten Mitarbeiter dumm, unehrlich und faul sind. Deshalb müssen diese nach genauen Vorgaben arbeiten und werden ständig kontrolliert und angetrieben. Die Grundannahme von dm ist: Der Mitarbeiter ist gut, man kann ihm etwas zutrauen, deshalb erhält er Freiraum. Folglich ist auch die Vertriebsstruktur, im Gegensatz zu vielen anderen Händlern, eher dezentral organisiert. Die Filialverantwortlichen entscheiden über das Sortiment und über die Bestellungen. Betriebsräte sind vorhanden, das Ausbildungskonzept ist mehrfach ausgezeichnet, und selbst Gewerkschafter müssen lange nach kritischen Aspekten suchen.
    Ingrid T. aus Frankfurt zum Beispiel berichtet:
    «Ich arbeite hier seit meinem Abgang von Norma vor vielen Jahren wie in einer anderen Welt. Zwar gibt es auch mal Reibereien unter den Kollegen, aber die Stimmung ist insgesamt sehr gut. Mit meiner Bezahlung bin ich zufrieden. Wir bekommen unser Festgehalt, Spätzuschläge, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, eine Jahreszahlung, wenn der Konzern erfolgreich ist, und einen Tertialabschlag, wenn die Filiale über dem geplanten Umsatz liegt und sparsam wirtschaftet. Natürlich müssen auch wir hier arbeiten und können nicht immer auf die Minute schauen, aber das Wichtigste für mich ist, dass ich nicht mehr mit Angst zur Arbeit gehen muss.»
    Natürlich können problematische Führungskräfte und schlechte Stimmung auch in einzelnen dm-Filialen nicht ausgeschlossen werden. Insgesamt aber ist das Bild geprägt von Respekt und Fairness gegenüber den Angestellten.
     
    Lidl wurde in der Vergangenheit häufig kritisiert. 2004 veröffentlichte ver.di ein Schwarzbuch, das dem Discounter miese Arbeitsbedingungen und die Verhinderung von Betriebsratswahlen vorwarf. Vier Jahre später, im Frühjahr 2008 , enthüllte der
Stern
die systematische Überwachung von Mitarbeitern durch Detektive. Noch heute prägen diese Veröffentlichungen das Bild vieler Menschen. Lidl ist noch immer als schlechter Arbeitgeber verschrien, dabei gilt das Unternehmen Brancheninsidern heute längst als Vorbild.
    Denn der Neckarsulmer Konzern hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich gewandelt. Nur wenn es Discounter schaffen, sich als faire Arbeitgeber zu gebärden, wird es ihnen langfristig gelingen, überhaupt noch Leistungsträger in eine Branche zu locken, deren Sexappeal für Nachwuchskräfte kaum unterboten werden kann. Und so hat Lidl echte Verbesserungen eingeleitet. Eine stellvertretende Marktleiterin aus dem Großraum Stuttgart erzählt zum Beispiel:
    «Vor einigen Monaten wechselte ich von Aldi zu Lidl und konnte es anfangs kaum glauben: die Unterschiede
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