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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co.
Autoren: Andreas Straub
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wachsenden Markt zu positionieren. Und das Geschäft läuft.
    Knapp eine Million Beschäftigte und 17 000  Unternehmen zählt die Zeitarbeitsbranche mittlerweile in Deutschland. Sie rekrutiert ihre Kräfte längst nicht nur im Bereich der Geringqualifizierten, sondern vielfach auch unter Akademikern, die dann als «Berater» Aufgaben ausführen, die zuvor normale Sachbearbeiter erledigten. Auf diese Weise sind zum Beispiel auch etliche Freunde und Bekannte von mir nach ihrem Studienabschluss für große Unternehmen tätig geworden. Auf Partys sagen sie zum Beispiel: «Ich arbeite bei BMW .» Erst ein paar Sätze später, manchmal auf Nachfrage: «Ja gut, über die und die Firma.» Im Regelfall arbeiten sie zu etwas schlechteren Konditionen als diejenigen, die direkt beim Auftraggeber beschäftigt sind. Uneingeschränkte Mobilität und die Bereitschaft zu unbezahlten Überstunden werden vorausgesetzt. Private Beziehungen und Planungsmöglichkeiten leiden darunter. Doch es ist ein Einstieg, und einige werden später von ihren «Kunden» übernommen. Sie werden von «freien» Mitarbeitern zu «festen» und steigen eine Klasse auf. Ein studierter Ingenieur etwa sagt:
    «Wenn ich mich richtig reinhänge, bin ich in ein paar Monaten, spätestens in ein paar Jahren fest bei BMW . Ich weiß natürlich nicht, wie lange meine Freundin das noch mitmacht. Mein Chef sagte, es kann sein, ich muss demnächst zu Daimler. Dann geht alles wieder von vorne los: Eindruck schinden, Überstunden buckeln und auf eine Übernahme hoffen. Ich würde gerne eine Familie gründen, aber mir ist alles zu unsicher. Ohne einen festen Job kann ich doch nicht die Verantwortung für eine Familie übernehmen.»
    Die wachsende Unsicherheit im Berufsleben wirkt sich, nicht nur in diesem Fall, auf die gesamte Gesellschaft aus. Auftragslagen und Umsätze von Unternehmen hängen in einer globalisierten Welt von unzähligen, schwer planbaren Faktoren ab. Die Zeiten ändern sich, gefühlt jedenfalls, immer schneller, das Umfeld wird komplexer. In Verbindung mit dem relativ rigiden Arbeitsrecht in Deutschland haben Unternehmen deshalb Bedenken, Fixkosten in Krisensituationen nicht schnell genug abbauen zu können. Diese «Bindungsängste» setzen sich bis zum Arbeitnehmer fort, der verstärkt mit dieser Unsicherheit leben muss. Und die Politik hat die entsprechenden Rahmenbedingungen dafür geschaffen.
    Gab es 2004 noch gut 300 000  Zeitarbeiter, stieg die Zahl bis zum Jahr 2008 auf 800 000 . In der damaligen Krise profitierten die Auftraggeber, und 200 000  Zeitarbeiter wurden geräuschlos entlassen. Doch die Zeitarbeitsbranche erholte sich schnell wieder, stellte im Aufschwung wieder neue Mitarbeiter ein und beschäftigt heute bereits knapp eine Million Menschen. Im Bereich der Hochqualifizierten mit Extrakosten, im zahlenmäßig überwiegenden Teil der Geringqualifizierten sogar oft mit Minderkosten für die Kunden.
    Unternehmen brauchen Flexibilität. Und deshalb sind Zeitarbeiter, oft abwertend «Leiharbeiter» genannt, ein fester Bestandteil unserer heutigen Arbeitswelt. In seinem Buch «Billig, fleißig, schutzlos – Leiharbeit in Deutschland» beschreibt der Autor Gerhard Schröder, der nicht mit dem Ex-Bundeskanzler zu verwechseln ist, wie große Unternehmen, darunter Ford, BMW und MAN , in der Krise 2009 und 2010 davon profitierten: «Sie streichen Tausende von Stellen, ohne jemanden entlassen zu müssen, ohne Abfindungen zu zahlen und den komplizierten Kündigungsschutz beachten zu müssen. Es sind ja nur Leiharbeiter, die die Fabriken verlassen und fortan auf der Straße stehen.» Ein durchschnittlicher Leiharbeiter verdiene etwa 35 –40  Prozent weniger als der Stammarbeiter und jeder Fünfte so wenig, dass er Hartz- IV -Leistungen zusätzlich in Anspruch nehmen müsse. Sogar bei den Zeitarbeitsunternehmen gebe es Discounter, die mit dem Spruch werben: «Geile Preise, geile Leute». Der Klebeffekt, also die Chance, beim Auftragsunternehmen fest übernommen zu werden, sei gering. Jeder Zweite der oft Geringqualifizierten oder Langzeitarbeitslosen bleibe nicht einmal drei Monate angemietet. Schröder beklagt in seinem 2009 herausgegebenen Werk, dass die Gewerkschaften das neue «Subproletariat» ignorierten und die Zeitarbeiter praktisch keine Lobby hätten.
    Doch mittlerweile nehmen sich einige Arbeitnehmerorganisationen der Thematik an. Im Frühjahr 2012 veröffentlichte die IG Metall ein «Schwarzbuch Leiharbeit», in dem viele Betroffene
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