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Inside Aldi & Co.

Inside Aldi & Co.

Titel: Inside Aldi & Co.
Autoren: Andreas Straub
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Zeit erfuhr ich, dass die Anweisung für diese Aktion von oben kam. Ich ging sofort zum stellvertretenden Bereichsleiter und fragte ihn. Er gab das sogar zu. Ich sei zu frech gewesen, sagte Thomas K. Wann und wie genau, konnte oder wollte er mir nicht sagen. Aber ich spürte, wie er seine Macht und sein perverses Spiel genoss. Ich war stinksauer, traute mich aber nicht, etwas zu sagen oder Anzeige zu erstatten. Ich hatte Angst, sofort wieder gekündigt zu werden, da ich noch in der Probezeit war. In den Wochen danach wurde ich immer wieder damit aufgezogen: «Sei brav, sonst kommst du an den Pfosten.»
    Mir wurde außerdem angedroht, mich in das Tiefkühlabteil (– 20  Grad) zu sperren.
    Nach diesem Vorfall traute ich mich nicht mehr, irgendetwas in der Firma zu sagen, weil ich immer Angst hatte, dass sie wieder so etwas mit mir machen könnten. Ich konnte lange nicht mehr richtig schlafen und hatte immer diese Bilder im Kopf: Bilder für die Ewigkeit.»
    Mit Wickelfolie an einen Pfeiler gebunden und mit Edding bemalt? Selbst für mich, den beim Thema Umgang mit Mitarbeitern bei Aldi wenig noch überraschen kann, ein Schock. Und schwer zu glauben.
    Gäbe es da nicht Fotos und Videos. Kollegen fertigten sie während der Prozedur in bester Laune an. Einige Fotos landeten sogar bei Facebook – für Patrick H. eine weitere Erniedrigung.
    Als Patrick H. an den Pfeiler musste, waren mehrere Mitarbeiter in den Plan eingeweiht. «Der stellvertretende Bereichsleiter wollte meinem jungen Kollegen einen Denkzettel verpassen», sagt Benjamin E., selbst Mitarbeiter im Aldi-Lager Mahlberg. «Er lockte Patrick H. unter einem Vorwand gezielt zu dem Pfeiler. Herr K. hatte uns genaue Anweisungen erteilt. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Unser Chef hat sich so richtig darauf gefreut, den Azubi fertigzumachen.»
    Ein bedauerlicher Einzelfall? Nein, denn es gibt mehrere Opfer des perfiden Rituals, darunter Benjamin E. selbst, der in seinen Anfängen bei Aldi Ähnliches erdulden musste: «Ich war noch Lehrling, als mich mitten während der Arbeit zwei Mitarbeiter festhielten. Mir fehlte damals noch die Kraft, um mich von den körperlich überlegenen Arbeitskollegen loszureißen. Mein Chef zückte plötzlich einen wasserfesten, dicken, schwarzen Marker und begann mein Gesicht zu bemalen. Ich versuchte anfangs noch mit dem Kopf auszuweichen. Das gelang mir aber nicht. Letztendlich musste ich alles über mich ergehen lassen. Ich litt damals unter starker Akne, aber das interessierte meinen Chef nicht. Selbst meine Augenbrauen wurden übermalt. Mein komplettes Gesicht war schwarz bemalt. Einen Grund dafür gab es nicht. Als dann die Aktion vorbei war, fuhr ich mit meinem Flurförderzeug einmal quer durch das Lager, um mein Gesicht zu reinigen. Mit Seife und Desinfektionsmittel schrubbte ich etwa zwanzig Minuten über mein Gesicht. Nachdem ich das meiste entfernen konnte, war mein Gesicht rot wie eine Tomate. Auf dem Rückweg traf ich den Bereichsleiter, der für die Warenbereitstellung zuständig ist. Er lächelte mich nur an. Natürlich wusste er Bescheid. Hinterher wurde ich immer wieder aufgezogen mit Sprüchen: ‹Willst du noch mal angemalt werden?› Oder ‹Wenn du frech bist, wirst du wieder angemalt›.
    Ich habe darüber nie mit meiner Familie oder mit Bekannten gesprochen, weil mir die Situation äußerst unangenehm war.»
     
    Auch Christian V. kann diese Vorfälle bestätigen. Er hat seine Ausbildung ebenfalls im Zentrallager Mahlberg absolviert. «Was da teilweise abgeht, ist nicht mehr normal», sagt der junge Mann. «Ich bin froh, da weg zu sein.» Er hat selbst solche Vorfälle miterlebt. Bei Azubi Daniel W. zum Beispiel, der ebenfalls an den Pfeiler gebunden und mit Filzstift zur Belustigung der Führungskräfte «angeschwärzt» wurde. In seinem Fall bekam sogar der zuständige Prokurist Ludger K., also ein Mitglied der Aldi-Geschäftsführung, live einen solchen Vorfall mit. «Ich sehe, ihr versteht euch», soll er lapidar gesagt haben und weitergegangen sein, ohne sich auch nur im Ansatz zu wundern oder gar einzuschreiten.
     
    Worüber sich Prokurist Ludger K. hingegen sehr wunderte und wogegen er sehr energisch einschritt, war die miserabel ausgefallene Mitarbeiterbefragung im Zentrallager Mahlberg. Aldi führt solche Befragungen regelmäßig alle vier Jahre durch. In Mahlberg entwickelte sich eine irre Auseinandersetzung, in deren Mittelpunkt auf den ersten Blick eine in Teilzeit beschäftigte Lagerarbeiterin aus
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