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Inselkoller

Inselkoller

Titel: Inselkoller
Autoren: Reinhard Pelte
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sie war das Gespräch beendet. Jung war immer wieder verblüfft, wie seine Frau
mit einem kurzen Satz ganze Imperien schwerwiegender Gegebenheiten ins Wanken bringen
konnte.

Das Ende
     
    Jung hatte seinen ersten Tag auf Sylt hinter sich, als er Helga Bongard
anrief, um sie über den vorläufigen Abschluss der Ermittlungen und über die Ergebnisse
zu informieren. Er hatte von ihrem Anrufbeantworter erfahren, dass sie sich auf
Sylt aufhielt. Schon nach dem ersten Läuten meldete sie sich.
    »Bongard.«
    »Guten Tag, Frau Bongard, hier Jung.«
    »Keine privaten Verabredungen bitte.«
    »Ich kann Sie schlecht per Einschreiben aufs
Präsidium bitten, schon gar nicht kostenerstattungspflichtig. Es gibt kein Geld
dafür, dass ich Ihnen erzähle, wie Ihre Freundin ums Leben gekommen ist. Und am
Telefon will ich es nicht.«
    »Oh, das ist … Ja, also gut. Das bleibt aber
die einzige Verabredung. Können Sie sich wenigstens das merken?«
    Jung spürte einen spontanen Impuls, das Gespräch
abzubrechen. Es kostete ihn Überwindung, es nicht zu tun. Er zwang sich dazu, höflich
zu bleiben.
    »Versuchen wir es noch einmal im ›Il Ristorante‹?
Ich bin auf der Insel«, fuhr er äußerlich ruhig fort.
    »Dann sagen wir, heute Mittag gegen 13 Uhr.«
    »In Ordnung. Ich werde da sein.«
    »Ihr Wort in Gottes Ohr.« Sie hängte ein.
    Keine Begrüßung, keine Verabschiedung, das
Gespräch war beendet. Wie kann man nur so kleinkariert sein, auf einem verpassten
Termin so lange herumzureiten?, dachte Jung. Oder war ihr Verhalten die pathologische
Folge ihres Verkehrsunfalls? Musste er etwa nachsichtiger mit ihr sein? Zum Teufel
damit, ihm reichte ihre blöde Art einfach. Sein Bedürfnis, sie über den Tod ihrer
Freundin zu unterrichten, ließ merklich nach. Er nahm sich vor, nur die Pflicht
zu erfüllen, die er empfand, darüber hinaus aber keine weiteren Rücksichten zu nehmen.
    Er machte sich frühzeitig auf den Weg, um vor
ihr am Treffpunkt zu sein. Er hatte seinen Platz an dem reservierten Tisch schon
eingenommen und einen Cocktail ›Sex on the Beach‹ intus, als Helga Bongard hereinkam
und einen Auftritt hinlegte, wie er ihn schon vom Telefon her kannte. Jung ignorierte
ihre beleidigte Damenhaftigkeit und begrüßte sie routiniert höflich.
    »Sie sind die Erste, die erfährt, was geschehen
ist.«
    »Wer denn noch?«
    »Ein Kollege, der mir geholfen hat, die Apothekerin
und der Arzt der Verstorbenen und – nicht zu vergessen – mein kleines Frauchen zu
Hause.«
    »Lassen Sie doch Ihre blöde Ironie. Ich finde
das unpassend. Ich habe Schmerzen in der Lymphe.« Sie fasste sich an den Nacken,
schloss die Augen und drehte ihren Kopf nach rechts oben.
    Jung antwortete nicht darauf, um die Atmosphäre
nicht weiter aufzuheizen. Er wollte es hinter sich bringen. Sie kam ihm entgegen
und bestellte kein Essen, sondern nur Jägermeister und Wasser. Jung fiel auf, dass
die Galle von oben auch ohne Nahrungszufuhr erwünscht und bekömmlich schien.
    Dann erzählte er ihr, was er wusste. Sie hörte
zu, ohne ihn zu unterbrechen. Dafür war er ihr dankbar. Es stimmte ihn etwas versöhnlicher.
    »Welchen Grund hatte der Schwarze für seine
Tat? Wie hat er den Mord denn eine Woche nach seiner Abreise hingekriegt? Was hat
sie ihm getan?«, fragte sie, nachdem er geendet hatte.
    »Das weiß ich noch nicht. Wir müssten ihn befragen
können. Das ist zurzeit nicht möglich.« Jung erwähnte die vertrauliche Unterredung
mit Jungmann nicht. »Ich werde wahrscheinlich demnächst nach Dschibuti reisen und
versuchen, ihn zu sprechen. Große Hoffnungen knüpfe ich an dieses Unternehmen nicht.
Selbst wenn es klappen sollte: Was soll schon dabei herauskommen? Wenn er nicht
reden will, braucht er nicht zu reden. Wenn er redet, hat es keine Konsequenzen.
Also, was soll das?«, sagte er in sich gekehrt.
    Ihr Gespräch pausierte, und Jung machte sich
schon Hoffnungen, dass sein Gegenüber allmählich zu normalen Umgangsformen zurückfand.
    »Sie könnten sich ein Bild von ihm machen«,
nahm sie das Gespräch ungewohnt zurückhaltend und milde wieder auf.
    »Und dann?«
    »Dann könnten Sie Ihre Vermutungen darüber,
wie es wirklich passiert ist, mit Leben füllen.«
    »Also der Wahrheit näher kommen?«
    Jung glaubte jetzt, ihr Gespräch sei auf einer
unbelasteten Ebene angekommen, und bemerkte nachdenklich: »Genau, so kann man das
sehen.«
    Es trat eine längere Pause ein. Sie nippten
ein paar Mal an ihren Getränken.
    »Manchmal glaube ich, es gibt viele
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