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Insel der Schatten

Insel der Schatten

Titel: Insel der Schatten
Autoren: Wendy Webb
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nicht«, stimmte ich ihm zu. »Ich könnte den ganzen Tag hier stehen bleiben und gucken.«
    Nun wurde die Haustür geöffnet, und eine Frau in Jeans und einem wollweißen Strickpullover kam heraus. Eine knallrote Brille hing an einer Silberkette um ihren Hals und langes ergrauendes Haar ließ ihr eckiges Gesicht weicher erscheinen. Ich konnte nicht sagen, ob sie ungefähr so alt wie ich und vorzeitig ergraut war oder ob ich es mit einer überdurchschnittlich jung aussehenden Sechzigjährigen zu tun hatte.
    Das musste die Pensionsinhaberin sein, von der ich wusste, dass sie mich erwartete – Mr. Archer hatte ja für mich ein Zimmer reserviert –, trotzdem blieb sie an der Tür stehen und musterte mich einen Moment lang mit einer Mischung aus Argwohn und Überraschung. Da ich nicht recht wusste, was ich von diesem kühlen Empfang halten sollte, überbrückte ich hastig das betretene Schweigen zwischen uns.
    »Guten Tag!« Ich setzte mein strahlendstes Lächeln auf und streckte ihr die Hand hin. »Ich bin Hallie James. Soweit ich weiß, haben Sie ein Zimmer für mich?«
    Die Frau schüttelte den Kopf, als müsste sie sich aus ihren eigenen Träumen reißen, und dann wich ihr misstrauischer Blick einem Schmunzeln, als sie meine Hand ergriff.
    »Das habe ich in der Tat, Hallie. Herzlich willkommen! Wo habe ich nur meine Manieren gelassen? Kommen Sie um Gottes willen herein, der Wind ist ja eisig.« Sie drehte sich um und rief dem Kutscher einen Dank zu, ehe sie mich ins Haus geleitete.
    Das Innere des Hauses strahlte Wärme und Gemütlichkeit aus. Der polierte Holzfußboden war mit orientalischen Läufern bedeckt, bunte Gemälde der Insel hingen an den Wänden, Fotos standen auf dem Sims des Kamins im Wohnzimmer. Die mit Kissen überladene Couch und ein weiteres kleines Sofa luden geradezu dazu ein, sich dort mit einem Buch oder einer Tasse Tee niederzulassen. Hinter einer offenen Tür befand sich ein Arbeitszimmer mit deckenhohen Bücherregalen.
    »Ich bin Mira Finch«, stellte sich die Wirtin vor, als sie mich eine Treppe emporführte. »Ihr Zimmer ist im ersten Stock.«
    »Ich bin wirklich froh, dass Sie noch geöffnet haben«, plapperte ich nervös. »Soweit ich weiß, sind die meisten Pensionen auf der Insel um diese Jahreszeit schon geschlossen.«
    Mira öffnete die erste Tür hinter dem Treppenabsatz. »Stimmt schon«, nickte sie. »Außer Ihnen habe ich keine anderen Gäste, schon seit Wochen nicht mehr. Das Wetter kann hier im November ziemlich rau sein. Aber ich lebe ganzjährig hier, Sie können also gern so lange bleiben, wie Sie wollen. Das ist Ihr Zimmer, die Mainland-Suite.«
    »Wow!«, entfuhr es mir, als mein Blick als Erstes auf einen geräumigen, wunderschönen Erker fiel. Die gepolsterte Bank darin war mit bunten Kissen bedeckt, und in einer Ecke lagen ein paar zusammengerollte Wolldecken. Der Ausblick war derselbe wie von der Veranda unten: Unter mir erstreckte sich die schimmernde Wasseroberfläche, und dahinter flackerten nun die Lichter des Festlands. Auf dem riesigen Bett lag eine warme Steppdecke, und im Kamin prasselte bereits ein helles Feuer.
    »Das ist ja ein wunderschönes Zimmer!«
    Miras Lächeln wurde breiter und eine Spur wärmer. »Ihre Schlüssel liegen hier auf dem Nachttisch. Einer ist für die Haustür, die aber so gut wie nie abgeschlossen ist, und der andere für Ihr Zimmer. Kaffee und ein kleines Frühstück mit Muffins, Scones und Eiern stehen ab sieben Uhr in der Küche bereit, aber ich bin normalerweise schon früher auf den Beinen, falls Sie davor Hunger bekommen sollten.«
    »Machen Sie sich wegen mir nur keine Umstände«, wehrte ich ab. »Morgens Kaffee und ein Happen zu essen wäre schön, aber als Gast außerhalb der Saison erwarte ich nicht das volle Programm. Sie haben keine anderen Gäste, und ich möchte nicht lästig werden.«
    Mira tätschelte meinen Arm, was ich erleichtert zur Kenntnis nahm, bedeutete es doch, dass sie allmählich aufzutauen schien.
    »Einigen wir uns doch auf Folgendes: Ich koche morgens Kaffee. Und Sie kommen einfach runter und bedienen sich. Ich habe immer Cornflakes, Haferflocken, Brötchen und Eier da.«
    »Klingt gut.« Ich zog meine Taschen zu einer kleinen Bank am Fuß des Bettes.
    Mira war anzusehen, dass sie mit sich rang. Sie überlegte wohl, ob sie noch etwas sagen sollte. Schließlich fügte sie hinzu: »Kurz ehe Sie kamen habe ich mir Tee aufgebrüht. Leisten Sie mir doch Gesellschaft, wenn Sie ausgepackt haben.«
    Eigentlich
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