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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer
Autoren: Antje Babendererde
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die Tür und rief: »Conrad, ich weiß, dass du da bist. Ich muss dringend mit dir sprechen und ich habe nicht mehr viel Zeit.«
    Boone bellte, aber die Tür blieb verschlossen.
    »Ich weiß jetzt, was passiert ist«, rief ich.
    Keine Reaktion.
    »Es tut mir leid. Conrad? Bitte!«
    Es war sinnlos. Vielleicht war er tatsächlich nicht da, und selbst wenn, er würde mir nicht öffnen. Ich hatte ihn zutiefst verletzt.
    Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Die Minuten verstrichen schnell. Keine Ahnung, wie lange die vier am Strand brauchen würden, um das Camp abzubauen. Sie hatten es eilig, von hier wegzukommen, und ich wäre gerne für immer geblieben.
    Am liebsten hätte ich mir vor Conrads Tür gesetzt und die Zeit einfach verstreichen lassen. Irgendwann mussten er oder sein Vater ja nach Hause kommen und mir öffnen. Aber das war nicht möglich, ich musste gehen, um rechtzeitig bei den anderen zu sein.
    »Ich liebe dich«, sagte ich leise und wandte mich schweren Herzens ab.
    Dass ich fortging, ohne mit Conrad gesprochen zu haben, war keine Entscheidung gegen ihn. Ich liebte ihn und ich wollte mit ihm zusammen sein – aber mir blieb keine andere Wahl. Ich war gerade erst sechzehn geworden und konnte nicht einfach so tun, als gäbe es keine Regeln für mich.
    Mit gesenktem Kopf trottete ich ein letztes Mal die Hafenstraße von La Push entlang. Tränen hatte ich keine mehr.
    Conrad steht nur knapp einen Meter von Smilla entfernt, die Stirn gegen die Tür gelehnt. Er braucht sie bloß öffnen, diese Tür, und Smilla in den Arm nehmen. Nur ein kleiner Schritt über die Schwelle seiner verletzten Gefühle. Smilla hereinholen und ihr erzählen, was sie noch nicht weiß.
    Conrad zuckt zusammen, als er ihre Stimme hört. Smilla spricht mit Boone. Und dann spricht sie mit ihm. Als ob sie weiß, dass er hinter der Tür steht. Er schweigt, denn er muss an Joshs Worte denken. Dass Smilla bald in ihre Welt zurückkehrt und ihn vergessen wird. Lässt er die Tür verschlossen, wird es so sein. Smilla wird ihn vergessen.
    Wenn er die Tür öffnet, gibt es so viele Möglichkeiten. Er kann Smilla in sein Leben lassen, auch noch in den letzten dunklen Winkel. Dann vergisst sie ihn vielleicht nicht. Er kann fortgehen aus La Push. Das heißt, Justin zurücklassen und seinen eigenen Traum verwirklichen. Diese Gedanken machen ihm Angst. Die Hoffnung macht ihm Angst. Vielleicht hat Milo recht. Hope kills .
    Als Smilla mit der Faust gegen die Tür schlägt, hält er den Atem an. Die Schläge übertragen sich von der Tür auf jede Faser seines Körpers. Er weiß, dass Smilla weint. In ihm krampft sich alles zusammen, aber er schweigt, er rührt sich nicht, bis sie gegangen ist.
    Am Abend geht Conrad zum Strand. Das Camp ist verlassen. Alles ist sauber, nirgendwo liegt eine Bierdose oder Abfallpapier. Es ist, als wären sie niemals da gewesen. An einen Ast des Unterstandes, den die Surfer genutzt haben, ist ein blaues Tuch gebunden. Es gehört Smilla, Conrad erkennt es wieder. Er knotet es vom Ast, und als er es an seine Nase hebt, weil er auf eine Spur ihres Duftes darin hofft, flattert ein Zettel daraus hervor. Er versucht, ihn zu fassen zu kriegen, aber ein Windstoß erwischt ihn, hebt ihn auf und trägt ihn zum Meer. Conrad sieht dem weißen Papier nach, das wie ein kleiner Vogel vor ihm davonfliegt.
    Welche Nachricht auch immer sie ihm hinterlassen hat, das Meer wird davon wissen.
    Conrad läuft zur Klippe, klettert hinauf und setzt sich, mit dem Rücken gegen den warmen Felsen gelehnt. Der Wind weht ihm das Haar über das Gesicht und er schließt die Augen.
    Sein Vater hat Rowdy erschießen müssen, nachdem Milos Vater sich geweigert hat, es zu tun. Milo ist zu Chief Howe gegangen und hat ihm erzählt, was er gesehen hat in der Nacht. Dass auch Conrad und Boone am Strand waren, hat er verschwiegen.
    Milo hat das nicht freiwillig getan. Conrad hat ihn dazu gezwungen. »Entweder du gehst zu meinem Vater und erzählst ihm, was du gesehen hast, oder ich erzähle ihm von deinem Hanffeld und dass du es warst, der dem Mädchen die Pilze verkauft hat.«
    Milo tat, was Conrad verlangte. Deshalb ist Rowdy jetzt tot und Conrad hat einen Feind.
    Boone ist nicht schuld. Er ist ein guter Hund. Die Pilze haben in Brandees Augen ein Monster aus ihm gemacht. Vage kann Conrad sich vorstellen, was das Mädchen gesehen hat. Einen Werwolf, hat sein Vater ihm erzählt. Wie Conrad diese ganze Werwolfgeschichte verflucht.
    Er streicht sich das Haar aus
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