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Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer
Autoren: Antje Babendererde
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nicht. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Warum fühlte ich mich auf einmal so schrecklich fern?
    Kayad brabbelte zufrieden und Conrad stand auf, um ihm mit einem nassen Lappen den Mund abzuwischen. Ich sah, wie zärtlich er mit dem kleinen Kerlchen umging, und dachte daran, wie zärtlich er mit mir umgegangen war. Das alles passte einfach nicht zusammen.
    Oder doch?
    »Ich komme gleich zurück«, sagte er. »Ich bringe ihn nur ins Bett.«
    Während Conrad seinen Neffen schlafen legte, schossen die Gedanken kreuz und quer durch meinen Kopf. Hatte Conrad etwas mit Joshs Tod zu tun? Brandee hatte etwas von einem Werwolf gefaselt. Hatte sie Boone gesehen, der mit Conrad am Strand war? Sollte auch ich schuldig sein, weil ich es nicht verstanden hatte, eindeutige Signale auszusenden? War Josh meinetwegen gestorben? Weil ich Conrad liebte und nicht ihn?
    Conrad kam zurück, holte zwei Coke aus dem Kühlschrank und stellte eine vor mich auf den Tisch. Er setzte sich, öffnete seine Coladose und trank. Ich sah seinen Adamsapfel hüpfen und mir wurde klar, dass ich ihn überhaupt nicht kannte. Traute ich ihm wirklich zu, dass er sich am Ende doch noch an Josh gerächt hatte? Für seinen toten Bruder, für die Beleidigungen, für alles, was Joshua Kline für Conrad verkörperte.
    Nein. Ich traute es ihm nicht zu. Aber ich dachte, dass Vertrauen und Wissen zwei sehr unterschiedliche Dinge sind.
    »Was ist passiert letzte Nacht?«, fragte ich und das Herz drohte mir fast aus der Brust zu springen.
    Conrad wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, drückte die Coladose mit einem einzigen Griff zusammen und warf sie in den großen Mülleimer an der Wand. Dann schaute er mich an, mit seinem zerschlagenen Gesicht. Ich merkte, dass es ihm ungeheuer schwerfiel, mich anzusehen, und diesmal wusste ich nicht, ob es an meinen Augen lag oder daran, dass er etwas Schreckliches getan hatte.
    »Warum fragst du nicht, was du eigentlich fragen willst?«, sagte er kühl.
    Ich schluckte trocken. »Hast du was mit Joshs . . .«, ich stockte. Diese furchtbare Frage zu stellen, fiel mir unendlich schwer.
    »Du willst wissen, ob ich Josh umgebracht habe?« Conrad ließ mich nicht aus den Augen.
    Ich hasste mich dafür, doch meine Lippen formten die Frage »Hast du?«.
    Er ließ sich lange Zeit mit seiner Antwort. Ich weiß nicht, ob es nur Sekunden oder schon Minuten waren – mir kam es auf jeden Fall wie eine Ewigkeit vor.
    »Nein, Smilla. Ich habe Josh nicht umgebracht.«
    Ich fühlte die Erleichterung, spürte sie beinahe körperlich und doch war da etwas Unerbittliches in mir, das mich weiterfragen ließ: »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
    »Du warst dabei.«
    »Aber das blaue Auge...«
    »Veilchen brauchen ihre Zeit.«
    »Und warum versteckst du dich hier?«
    »Ich verstecke mich nicht. Ich habe auf Kayad aufgepasst.« Conrad lehnte sich zurück. »Was wird das, Smilla? Ein Verhör?«
    »Dein Vater sucht dich. Er macht sich Sorgen, weil du in der Nacht nicht nach Hause gekommen bist.«
    Conrad schwieg.
    »Wo bist du hingegangen, nach der Prügelei mit Josh?«
    »Ich bin rumgelaufen.«
    Etwas schien in ihm zu zerbrechen, seine Schultern sackten immer mehr nach unten. Ich spürte es und konnte doch nicht aufhören. Ich redete immer weiter, redete mich ins Verderben.
    »Warst du beim Camp?«
    Ich wollte ihm all diese Fragen nicht stellen, weil ich ihn liebte. Mit jedem Wort, das ich sagte, wurde die Kluft, die sich zwischen uns aufgetan hatte, immer größer. Das sah ich an seinen Augen. Ich merkte, wie Conrad mir entglitt, wie ich es nicht aufhalten konnte, dass er sich immer weiter von mir entfernte.
    »Ja, ich war beim Camp.«
    Ich atmete scharf ein.
    »Ich bin dir und Josh zum Feuer gefolgt und ich habe die Schaufensterpuppe tanzen sehen.«
    »Brandee«, sagte ich leise. »Ihr Name ist Brandee.«
    »Ich wusste gleich, was los war.« Conrad stand auf und begann umherzulaufen. »Milo war ein paar Tage zuvor auf Pilzpirsch gewesen und mit Sicherheit hat er ihr die Psilos verkauft. Ich habe das Zeug auch mal genommen, ein einziges Mal, das war kurz nach dem Tod meines Bruders. Indigo Psilocybe, auch Blue Angels genannt. Die Dinger wirken wie ein Quirl im Gehirn. Du hast Wahnvorstellungen und Halluzis. Ich habe Gegenstände wahrgenommen, die es nicht gab. Die Welt um mich herum bestand auf einmal aus ständig wandelnden Strukturen und Farben. Das Meer war rot, die Felsen blau, der Himmel gelb.
    Meine Arme und Beine sahen aus wie
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