Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Indigosommer

Indigosommer

Titel: Indigosommer
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
totes Fleisch. Ich dachte, ich wäre ein alter Mann und müsste bald sterben. Ich dachte, ich werde verrückt. Das Ganze war schrecklich real.«
    Conrad blieb vor dem Fenster stehen und starrte hinaus. »Milo war damals bei mir. Als ich es nicht mehr aushielt und ihn anflehte, den Notarzt zu rufen, da hat er es nicht getan. Er hat mich festgehalten und versucht, mich zu beruhigen. Ich hatte Angst vor ihm, denn sein Gesicht zerfloss auf einmal zu einer wabernden Masse, wurde zu einem grauenvollen Monster, das mich verschlingen wollte. Aber Milo hielt mich fest, bis es vorbei war. Und plötzlich war es einfach vorbei.«
    Langsam begann ich zu verstehen. »Bei Brandee nicht«, sagte ich mit rauer Stimme. »Sie liegt im Krankenhaus. Dein Vater sagt, die Pilze könnten eine Psychose bei ihr ausgelöst haben.«
    »Was?« Conrad drehte sich zu mir um und sah mich bestürzt an.
    »Sie spricht die ganze Zeit von einem Werwolf mit roten Augen, der sie verfolgt und angefallen hat. Conrad, wen oder was hat sie gesehen? Hast du...?«
    »Warum tust du das, Smilla?«, unterbrach er mich . »Ich bin verwirrt und ich habe Angst. « »Angst vor mir? « »Angst, dich zu verlieren. « »Was einem nicht gehört, kann man auch nicht verlieren« ,
    sagte er. »Ich liebe dich, Conrad.« »Ach, und deshalb glaubst du, ich hätte Josh umgebracht?« Seine Worte trafen mich wie ein Messerhieb. Ich zuckte zu
    sammen und biss mir auf die Lippen. Was hatte ich nur getan? Warum hatte ich mir nicht einfach angehört, was Conrad zu sagen hatte, bevor ich ihn mit meinen Fragen bestürmte, von denen jede einzelne wie eine Verdächtigung klang.
    »Es tut mir leid«, flüsterte ich.
    »Was tut dir leid? Dass du die Wahrheit gesagt hast?« Conrad sah mich an. »Josh hatte recht, Smilla.« Er begann wieder umherzulaufen. »Ich bin ein Loser, und wenn du erst wieder in deiner Welt bist, wird es dir nicht schwerfallen, mich zu vergessen.«
    »Nein«, sagte ich, Tränen in den Augen . »Es ist ganz leicht«, sagte er. »Du wirst aus dieser Tür hinaus
    gehen und mich einfach aus deinem Gedächtnis streichen.« »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich will, dass du gehst, Smilla, und das meine ich wirklich ernst.«
    Conrads Stimme klang so abweisend und kalt, dass ich aufsprang und Tamras Trailer fluchtartig verließ. Blind vor Tränen stolperte ich durch den Ort bis zum Strand. Ich hockte mich in die Wurzel des großen Stammes und weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte.

24. Kapitel
    A uch an diesem Abend gab es ein Feuer. Mark hatte es entfacht, er bemühte sich um die Aufrechterhaltung einer gewissen Ordnung, während Alec und die Mädchen völlig gelähmt schienen. Es gab Dosensuppe. Keiner von uns hatte Appetit, doch wir aßen. Manchmal konnten Rituale ganz nützlich sein.
    Trotzdem brachte ich kaum einen Bissen herunter und den anderen ging es genauso. Mark stocherte in der Glut, er schien keine Lust zu haben, Holz nachzulegen, und jemand anderes tat es auch nicht.
    Ich spürte Alecs und Lauras vorwurfsvolle Blicke. Sie sagten zwar nichts, aber tief in ihrem Inneren hielten sie mich für mitschuldig an dem, was passiert war, das wusste ich.
    So unglücklich, wie ich war, hatte ich nicht die Kraft, mich dagegen aufzulehnen und irgendwelche Rechtfertigungen hervorzubringen. Ich kam mir so einsam und wund vor wie noch nie in meinem Leben. Auch wenn sie es vielleicht nicht wahrhaben wollten, aber Joshs Tod war für mich genauso furchtbar wie für sie. Ein Mensch war gestorben, mit dem ich Zeit verbracht und gelacht hatte – den ich einmal gerngehabt hatte.
    Es war grausam zu wissen, dass die anderen den Jungen, den ich liebte, für Joshs Tod verantwortlich machten. Doch was das Schlimmste war: Selbst ich hatte an Conrad gezweifelt.
    Jetzt, nachdem die Panik nachgelassen hatte und mein Herz wieder zu mir sprach, wusste ich, dass Conrad Josh nichts getan hatte. Meine Fragen mussten ihn furchtbar verletzt haben. So sehr, dass er nicht mehr mit mir zusammen sein wollte. Ich hatte alles kaputt gemacht.
    Tränen schossen mir in die Augen und ich flüchtete zum Strand. Die Hände in den Taschen lief ich an der Wasserlinie entlang. Conrad fehlte mir. Ich wollte nicht wahrhaben, dass es aus war zwischen uns, wo wir uns doch gerade erst gefunden hatten.
    Conrad nie mehr wiedersehen, ihn nie mehr berühren – das konnte einfach nicht sein. Ich ballte die Hände zu Fäusten und schrie. Mit aller Kraft brüllte ich meine Verzweiflung aus mir heraus. Ich brüllte das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher