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In Schinkenbüttel ist der Affe los!

In Schinkenbüttel ist der Affe los!

Titel: In Schinkenbüttel ist der Affe los!
Autoren: Werner Schrader
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vollbedruckte Zeitung nach der andern in den Auffangkorb. In vier Stunden kamen schon die Zeitungsfrauen, um sie gebündelt in Empfang zu nehmen und den Einwohnern von Schinkenbüttel in die Briefkästen zu stecken oder hinter die Türklinken zu klemmen. Aber Sebastian Fliegenschmidt machte sich dennoch auf den Weg zum Chefredakteur, Herrn Waldemar Treberlan. Er war sicher, von dem Mann trotz der späten Stunde eingelassen und angehört zu werden. Ganz sicher war er. Denn er wußte, daß Herr Treberlan für jede außergewöhnliche Meldung dankbar war. Der Redakteur litt nämlich ebenso wie Sebastian Fliegenschmidt unter der Ehrlichkeit und Anständigkeit der Schinkenbütteler Bürger. Jeden Tag stand er aufs neue vor der unlösbaren Aufgabe, seine Zeitung mit interessanten Neuigkeiten zu füllen. Da es aber keine gab in der Stadt, mußte er welche erfinden oder ganz alltägliche Vorkommnisse so aufbauschen und herausputzen, daß sie sich wie ein spannendes Abenteuer lasen. So hatte er gestern aus dem „ Fall “ eines Dachziegels, der sich auf dem verlotterten Haus des Dichters Wortewaith trotz aller Mühe nicht mehr mit eigener Kraft hatte halten können und herabgerutscht war, einen heimtückischen Mordanschlag auf den Bürgermeister gemacht. Der ehrenwerte Mann, so hatte Treberlan geschrieben, sollte noch vor seinem sechzigsten Geburtstag hingemeuchelt werden, weil er sich auf dem letzten Schützenfest gegen eine Vergrößerung der Zielscheibe ausgesprochen hätte. Nur dem Umstand, daß er an dem Tag des versuchten Mordes seine Wohnung nicht verlassen habe, sei es zu danken — so Treberlan daß er noch am Leben sei. Schinkenbüttel atme erleichtert auf und wünsche seinem „Bümei“ weiterhin alles Gute und einen gesunden Appetit auf die sieben Torten, die, wie man aus sicherer Quelle erfahren habe, in der Gaststätte Zum Goldenen Bären schon für die Feier bereitstünden.
    Natürlich war Herr Treberlan mit solchen Meldungen nicht glücklich, wußte er doch selbst am besten, daß sie eigentlich nicht wert waren, auch nur mit einer Zeile erwähnt zu werden. Aber was sollte er machen? Die Leute wollten ihre Sensation haben, und so mußte er sie ihnen besorgen und frei Haus liefern.
    Als darum Sebastian Fliegenschmidt mit seinem Roboter unter dem Arm bei ihm erschien und geheimnisvolle Andeutungen machte über einen schrecklichen Mord, der vor wenigen Stunden hier im friedlichen Schinkenbüttel verübt worden sei, fiel er vor Erregung fast vom Stuhl.
    „Mann“, stammelte er, nachdem er sich ein wenig gefaßt hatte, „das ist die schönste Nachricht, die ich seit Jahren bekommen habe! Daraus mache ich einen vier Seiten langen Bericht mit Fotos und Fingerabdrücken und Handschriften. Was sage ich! Daraus mache ich eine ganze Serie mit Interviews der Tatzeugen und der Betroffenen! Zwei, drei Monate lang kann ich die Zeitung damit füllen. Wenn Sie, lieber Herr Fliegenschmidt, sich ein bißchen Zeit lassen mit dem Fangen der Bande, kann ich sogar ein ganzes Jahr lang von dem Fall leben.“
    Er sah den Detektiv dankbar an.
    „Fürs erste werde ich eine Extraausgabe drucken“, fuhr er eifrig fort, „die morgen gegen zehn von Haus zu Haus verkauft werden kann. Was sagten Sie, wieviel Opfer sind zu beklagen?“
    „Das ist noch nicht genau ermittelt“, antwortete Sebastian Fliegenschmidt. „Ich gehe vorerst von einem aus, bin aber sicher, daß...“
    „Natürlich, natürlich, ganz meine Meinung“, unterbrach der Redakteur, „drei oder vier sind es bestimmt. Beziehen wir eine Dunkelziffer mit ein, so kommen wir leicht auf fünf bis sechs. Meine Güte, ist das eine Sache!! Passen Sie auf [Überschrift rot, sechs Zentimeter hoch:
     
    BLUTRÜNSTIGE MORDBANDE
    SUCHT FRIEDLICHES SCHINKENBÜTTEL HEIM.
     
    Darunter, immerhin noch vier Zentimeter hoch:
     
    Detektiv Fliegenschmidt den Gangstern auf der Spur.
    Schlinge zieht sich zu.
     
    Er strahlte Sebastian an.
    „Kommen Sie, darauf wollen wir erst mal einen trinken.“ Mit gewohntem Griff holte er eine Flasche Schinkenbütteler Edelbrand aus dem Schreibtisch, goß zwei Gläser bis an den Rand voll und stieß mit dem Detektiv an.
    „Prost“, sagte er. „Trinken wir darauf, daß wir recht lange mit dem Fall befaßt sind!“

    Nach dem dritten Glas nahm er einen Bleistift in die Hand, legte sich einen Block zurecht und machte sich an den Entwurf des Extrablattes, des allerersten, das Schinkenbüttel erleben sollte. Dabei las er das, was er schrieb, laut vor, so
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