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In Schinkenbüttel ist der Affe los!

In Schinkenbüttel ist der Affe los!

Titel: In Schinkenbüttel ist der Affe los!
Autoren: Werner Schrader
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Mitmenschen?“
    „Ich pfeife auf Ihre Anteilnahme“, raunzte der Mann. „Mein Unglück ist meine Sache und geht niemanden etwas an. Meinen Sie, ich hätte nicht längst gemerkt, daß Sie von der weiblichen Kriminalpolizei sind? Sie brauchen sich gar nicht zu verstellen?“
    „Wie kommen Sie darauf?“ fragte Tante Steffi erstaunt. „Ich habe doch gar keine Uniform an.“
    „Tun Sie nur nicht so!“ polterte der Milchmann. „Wenn Sie eine Bürgerin unserer Stadt wären, wüßte ich es. Ich kenne nämlich alle Frauen im Ort, weil ich ihnen jeden Morgen die Milch bringe. Sie habe ich noch nie gesehen. Daraus schließe ich, daß Sie eine Fremde sind und nicht hierhergehören.“
    „Das stimmt“, sagte Tante Steffi. „Ich komme aus Hüttenhagen.“
    „Da haben wir’s!“ rief der Mann, während er sein Taschentuch um den blutenden Finger wickelte. „Und was macht eine Frau aus Hüttenhagen um Mitternacht in unserm gottverlassenen Nest, he? Können Sie mir das wohl verraten? Ich will es Ihnen sagen: sie spioniert herum und horcht grundehrliche und anständige Geschäftsleute aus, die niemals auch nur einen Tropfen Wasser in die Milch gießen und keinen Menschen jemals betrogen haben. Aber bei mir können Sie lange schnüffeln, da finden Sie nichts, gar nichts finden Sie da. Und was der Bengel Ihnen erzählt hat, ist die reine Lüge und nichts als die Lüge. Er hat sich alles nur aus den Fingern gesogen, um sich wichtig zu machen.“
    Tante Steffi verstand von dem heftigen Ausbruch des Milchmannes nichts, überhaupt nichts. Nur ein Wort traf sie wie ein Faustschlag, und das war das Wort Bengel.
    „Was für einen Bengel meinen Sie?“ fragte sie zitternd.
    „Tun Sie nicht so scheinheilig!“ fauchte der Mann sie daraufhin an. „Sie wissen genau, daß ich die Rotznase in dem weißen Schlafanzug meine!“
    Tante Steffi mußte sich rasch an dem Handkarren festhalten, so weich wurden ihr plötzlich die Knie.
    „Markus“, flüsterte sie kaum hörbar, „das muß Markus gewesen sein.“
    „Ich wußte doch, daß Sie ihn kennen“, rief der Milchmann grimmig. „Und nun gehen Sie weiter und lassen Sie mich in Ruhe!“
    Aber Tante Steffi tat weder das eine noch das andere. Sie ging ganz nah an den aufgebrachten Mann heran, faßte seinen Arm und fragte erregt: „Was war mit dem Jungen? Hat er lebendig hier vor Ihnen gestanden?“
    „Was ist denn das nun wieder für eine dumme Frage!“ knurrte der Milchmann. „Haben Sie schon mal einen Toten durch die Straße rennen sehen? Der Bengel war höchst lebendig und lief vor Frechheit über wie ein volles Regenfaß. „ Tante Steffi ließ, als sie das hörte, den Arm des Mannes fahren und lehnte sich an den Handkarren. Sie schloß einen Moment die Augen, zwei große Tränen rannen an ihrer Nase vorbei bis ans Kinn.
    „Er lebt“, flüsterte sie glücklich, „mein kleiner Markus lebt!“
    Der Milchmann starrte sie verdutzt an.
    „Sind Sie etwa seine Mutter?“ fragte er.
    „Ich bin seine Tante“, hauchte Tante Steffi, „und suche ihn verzweifelt. Detektiv Fliegenschmidt glaubt nämlich, daß er ermordet worden sei. Aber wenn er hier bei Ihnen war, muß er ja noch leben. Können Sie mir nicht sagen, wohin er gegangen ist?“
    „Er ist nicht gegangen, er ist gelaufen“, sagte der Milchmann, „sehr schnell ist er gelaufen. Weil ich hinter ihm her war!“
    „Sie haben das arme Kind gejagt?“ empörte sich Tante Steffi.
    „Jawohl“, entgegnete der Milchmann. „Wer mir Frechheiten sagt, nachdem bei mir eingebrochen worden ist, den schlage ich in die Flucht.“
    „Eingebrochen wurde bei uns auch“, sagte Tante Steffi. „Wahrscheinlich haben Sie den Jungen nur nicht richtig verstanden.“
    „Ich habe ihn schon richtig verstanden, da können Sie ganz sicher sein. Und jetzt lassen Sie mich endlich in Frieden! Ich bin müde und möchte bald ins Bett.“
    „Sagen Sie mir nur noch, in welche Richtung Markus gelaufen ist“, bat Tante Steffi.
    „Die Straße ‘runter, auf das Wirtshaus Zum Goldenen Bären zu“, brummte der Milchmann unwillig, während er schon durch das glaslose Schaufenster in seinen Laden stieg, um dort aufzuräumen.
    Tante Steffi bedankte sich für diese Auskunft und marschierte in die genannte Richtung. Nach etwa dreißig Metern fragte sie einen älteren Herrn, ob ihm nicht ein Junge begegnet sei. Aber der hatte keine Augen für entlaufene Kinder, hielt er doch Ausschau nach einem vier Jahre alten Kerl, der sechsundachtzig Meter hochsprang,
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