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Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Titel: Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Autoren: Ann Granger
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KAPITEL EINS
    Elizabeth Martin
    Die Maschine stieß einen langgezogenen Seufzer aus wie eine ältere Lady, die ihr Korsett löste, und hüllte alles und jeden in eine Wolke aus schwefeligem Rauch und Dampf. Er wirbelte den Bahnsteig entlang und in die Höhe, wo er sich unter dem Dach des Bahnhofs fing. Der Geruch erinnerte mich an Mary Newlings Küche, wo ich als kleines Mädchen die Aufgabe gehabt hatte, hart gekochte Eier zu schälen.
    In unerwarteten Abständen teilte sich der Rauch, und eine Gestalt erschien kurz darin, nur um gleich wieder zu verschwinden und von einer anderen ersetzt zu werden wie in einer flimmernden Laterna-magica-Vorstellung. Hier eine Frau mit einer großen Tasche in der einen und einem Jungen in einem Matrosenanzug an der anderen Hand. Als sie verschwanden, tauchte an einer anderen Stelle ein Mann in Jacke und Hose aus grellem Karomuster mit einem verwegen auf dem Kopf sitzenden Hut auf. Ich muss so unerwartet für ihn in Sicht gekommen sein wie er für mich. Er bedachte mich mit einem scharfen Raubtierblick, und ich fand gerade genügend Zeit zu sehen, wie er einen abfälligen Blick aufsetzte, bevor der Rauchvorhang sich wieder über ihm schloss.
    »Nun aber, Lizzie Martin!«, schalt ich mich forsch. »Du bist weder hübsch genug noch gut genug gekleidet, als dass du dich sorgen müsstest, belästigt zu werden.«
    Trotzdem verletzte es meine Eitelkeit, so schnell abgetan zu werden.
    Der Rauch wurde rasch dünner, und die nächste Gestalt, die vor mir erschien, trug zu meiner großen Erleichterung die Uniform eines Kofferträgers. Ein kleiner, drahtiger Mann unbestimmbaren Alters, der mich angrinste und sich in einer Geste an die Mütze tippte, die seinen Respekt signalisieren sollte, doch unglücklicherweise stark an das konspirative An-die-Stirn-tippen erinnerte, welches die Einfältigkeit einer anderen Person signalisierte.
    »Darf ich Ihren Koffer nehmen, Miss?«
    »Ich habe nur diesen einen«, sagte ich entschuldigend. »Und eine Hutschachtel.«
    Doch er griff bereits nach beidem, und ehe ich mich versah, stapfte ich munteren Schrittes hinter ihm her in Richtung Bahnsteigsperre. Mein Fahrschein wurde von dem wichtig aussehenden Beamten dort beiseitegewischt, und ich betrat die Haupthalle.
    »Werden Sie abgeholt, Miss? Oder brauchen Sie eine Droschke?« Der Kofferträger schaute erwartungsvoll zu mir hinauf.
    »Oh, ja, eine Droschke, aber …«
    Zu spät. »Dann folgen Sie mir bitte, Miss. Ich bringe Sie zum Stand.«
    Mrs Parry hatte mir ausführlich geschrieben und bedauert, dass es nicht möglich sei, mich von irgendjemandem abholen zu lassen, und mir gleichzeitig ausführliche Anweisungen gegeben, wie ich mich bei meiner Ankunft in der Hauptstadt verhalten sollte. Ich sollte meine Habseligkeiten nur einem Kofferträger anvertrauen, der (die nächsten Worte waren dick unterstrichen) ein Angestellter der Eisenbahngesellschaft war, und niemand anderem! Wenn ich jemand anderem meine Koffer gäbe, sollte ich nicht überrascht sein, falls ich sie niemals wiedersähe. Wenigstens diese Anweisung hatte ich befolgt.
    Ich war auf dem besten Weg, auch der zweiten Folge zu leisten: eine Droschke zu nehmen – und zwar eine, die von einem Pferd in gutem Zustand gezogen wurde – und mich zuerst beim Kutscher nach dem Fahrpreis zu erkundigen. Ich sollte mich von ihm auf dem kürzesten Weg zu Mrs Parrys Adresse fahren lassen. Droschkenfahrer seien zuzeiten höchst impertinent, hatte sie geschrieben, wenn sie mit allein reisenden Damen zu tun hätten, und ich dürfte sie unter keinen Umständen zu diesem Verhalten ermutigen.
    Eine kleine Bande abgerissener Kinder tauchte wie aus dem Nichts auf und rannte neben mir her, um mich hartnäckig um Pennys anzubetteln.
    »Los, machtdasserwegkommt, Lumpenpack!«, donnerte mein Kofferträger sie mit unerwarteter Heftigkeit an. Während sich die Bande unter Spottrufen an seine Adresse zerstreute, fügte er an mich gewandt hinzu: »Passen Sie bloß gut auf diese Gören auf, Miss! Und nehmen Sie niemals vor ihren Augen Ihre Geldbörse hervor.«
    »Nein, gewiss nicht!«, stimmte ich ihm atemlos zu. Ich war neu in der Stadt, und ich kam eindeutig aus der Provinz, doch ich war nicht dumm, und dort, wo ich herkam, gab es ebenfalls Banden kindlicher Diebe.
    Ein neuer Geruch gesellte sich zu dem des Qualms, der Asche und der ungewaschenen Menschen: der Geruch nach Pferden. Wir hatten einen Stand mit vierrädrigen Gespannen von der Sorte erreicht, die ›Growler‹
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