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In einer heißen Sommernacht

In einer heißen Sommernacht

Titel: In einer heißen Sommernacht
Autoren: Sandra Brown
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eingravieren zu lassen, an dem der Arzt ihn in das Haus meiner Mutter brachte und sie miteinander bekannt machte.« Er berührte die Zahlen, die in das Gold eingeprägt waren. » Nachdem der Sheriff ihn an jenem Abend abführte, haben sie sich nie wieder gesehen.«
    » Aber Ihre Mutter nahm doch sicher an der Verhandlung teil«, wandte die Frau ein.
    » Es gab keine Verhandlung. Er gestand die Tat. Er weigerte sich, meine Mutter im Gefängnis zu empfangen. Er wollte nicht, dass sie ihn so in Erinnerung behielt. Doktor Kincaid überbrachte Botschaften von einem zum anderen.«
    » Wie lange hat er noch gelebt?«, fragte der Mann.
    » Fünf Wochen. Er musste nicht lange leiden.«
    Die Frau griff nach der Hand ihres Mannes und umklammerte sie fest. » Ihre Mutter hat wahrscheinlich mehr gelitten als er.«
    » Sie wollte ihn unbedingt sehen, aber später hat sie eingesehen, dass er wie immer wusste, was das Beste war. Sie sagte, sie hätte es sicher nicht ertragen, ihm beim Sterben zuzuschauen.«
    » Wie hat sie sich von allem erholt?«
    » Nach seinem Tod stellte sie bestürzt fest, dass er ihr sein gesamtes Vermögen vermacht hatte. Er hat die ganzen Nachmittage außer Haus nicht nur mit Ollie Thompson und Bruder Calvin verbracht. Ein paar davon nutzte er, um seine Angelegenheiten zu regeln.« Der alte Mann lächelte. » Mutter war ihrer Zeit weit voraus und investierte das Geld gut. Sobald sie konnte, gab sie die Pension auf und zog nach Nordtexas, wo sie begann, Baumwolle auf Mr Rainwaters Land anzubauen. Sie erntete, entkörnte, verkaufte. Sie handelte auch für andere Züchter, genau wie Mr Rainwater früher.
    Einige Jahre später verwendete sie den Gewinn, um eine Textilfabrik zu bauen. Sie wurde damit sehr reich und war hoch angesehen. Sie bekam, oh, ich weiß nicht, wie viele, Unmengen von Ehrungen und Auszeichnungen. Herausragende Geschäftsfrau, Bürgerin des Jahres und solche Titel.«
    » Bemerkenswert«, sagte die Frau ehrfurchtsvoll.
    » Das war sie in der Tat.« Wieder strich der alte Mann wehmütig über die Uhr. » Sie erzählte mir einmal, dass es eines sterbenden Mannes bedurft hatte, um sie das Leben zu lehren. Vor Mr Rainwater hatte sie sich mit einem Leben in Gefangenschaft abgefunden. Er hat sie befreit. In jeder Hinsicht.«
    » Er war auch bemerkenswert auf seine Art«, sagte der Mann. » Er starb als ein Verurteilter, obwohl er unschuldig war. Mir ist bewusst, dass er ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte. Trotzdem hat er ein großes Opfer für Sie gebracht.«
    Der alte Mann blickte verwirrt vom einen zum anderen, bevor ihm klar wurde, dass sie diejenigen waren, die etwas durcheinander brachten. » Er hat das Opfer für Solly gebracht.«
    » Abersind Sie nicht – ?«
    Er schüttelte den Kopf.
    Die Frau blickte auf die Visitenkarte, die er ihr gegeben hatte. » Ich habe angenommen– Ihr Geschäft ist benannt–«
    » Nach meinem Bruder. Mein Name ist David. David Rainwater Barron.«
    Sie sahen ihn bestürzt an. » Sie sind sein Sohn?«, flüsterte die Frau.
    » Der bin ich.«
    Ihre Augen wurden wieder feucht, aber dieses Mal vor Freude. Ihr Mann legte den Arm um sie. Er fragte: » Was ist aus Solly geworden?«
    » Nach unserem Umzug in den Norden hat meine Mutter sich eine Einrichtung in Dallas angeschaut, die einen hervorragenden Ruf besaß. Sie nahmen Solly auf. Meiner Mutter brach es das Herz, ihn dort zu lassen, aber sie wusste, dass es das Beste war. Seine Sprachblockade war seit jenem Abend, an dem Conrad Ellis starb, gebrochen. Solly konnte später fast normal sprechen, obwohl er manchmal bei einzelnen Wörtern oder Ausdrücken ins Stocken geriet.«
    » Konnte er sich erinnern, also wusste er noch–«
    » Was er getan hat? Nein. Mutter hat ihn nie mit der Wahrheit belastet.«
    » Hat er lesen gelernt, wie Ihre Mutter immer hoffte?«
    » Ja, das hat er. Er verstand mathematische Formeln, mit denen die meisten Menschen überfordert sind, und er konnte komplizierte Modelle von Gebäuden und Brücken bauen. Aber er war nie imstande, seine Fähigkeiten beruflich zu nutzen. Mit dem heutigen Wissen über Autismus wäre es vielleicht möglich gewesen. Aber die Krankheit wurde erst Mitte der Vierzigerjahre benannt.
    » Als er zu alt war, um auf der Schule zu bleiben, nahm Mutter ihn wieder nach Hause. Er hatte einen Pfleger, der sich um ihn kümmerte, während sie arbeitete. Er war zufrieden bis zu dem Tag, an dem er plötzlich und unerwartet im Alter von zweiunddreißig Jahren an einer
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