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In die Wildnis

In die Wildnis

Titel: In die Wildnis
Autoren: Jon Krakauer
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Walt bringt an der Innentüre ein kleines Gedenkzeichen an, ein einfaches Messingschildchen mit ein paar eingravierten Worten. Darunter stellt Billie einen kunstvoll arrangierten Strauß aus Berufkraut, Eisenhut, Schafgarbe und Fichtenzweigen zusammen. Unter das Bett im hinteren Teil des Busses stellt sie einen Koffer mit einem Verbandskasten, Dosenkonserven und vielem mehr, das in einer Notsituation hilfreich sein könnte. Dazu legt sie einen Zettel, auf dem sie jeden, der ihn zufällig lesen sollte, bittet, »sobald wie möglich deine Eltern anzurufen«. In dem Koffer befindet sich ferner eine Bibel, die Chris als Kind gehörte. »Obwohl ich«, wie Billie zugibt, »nicht mehr gebetet habe, seit wir ihn verloren haben.«
    Walt ist eher nachdenklicher Stimmung und hat die ganze Zeit kaum etwas gesagt. Er wirkt jedoch so entspannt wie schon lange nicht mehr. »Ich hatte keine Ahnung, wie ich auf all das reagieren würde«, gesteht er und zeigt auf den Bus. »Aber jetzt bin ich froh, daß wir hier waren.« Dieser kurze Abstecher, wie er sagt, hat ihm geholfen, besser zu begreifen, warum sein Sohn in dieses Land gekommen ist. Christ ist ihm in vielerlei Hinsicht noch immer unverständlich und wird es wohl immer bleiben. Aber nun ist er der Lösung des Rätsels ein wenig näher gekommen. Und für diesen kleinen Trost ist er dankbar.
    »Es ist irgendwie beruhigend, zu wissen, daß Chris hier war«, erklärt Billie, »genau zu wissen, daß er an diesem Fluß war, daß er hier auf diesem Flecken Erde gestanden hat. Wenn wir in den letzten drei Jahren irgendwo verreist waren, haben wir uns immerzu gefragt, ob Chris vielleicht auch einmal dort war. Die Ungewißheit war schrecklich - gar nichts zu wissen.
    Immer wieder höre ich von Leuten, daß sie Chris für das, was er zu tun versucht hat, bewundern. Wenn er es überlebt hätte, würde ich es auch so sehen. Aber er hat es nicht überlebt, und niemand kann ihn wieder lebendig machen. Da läßt sich nichts mehr ändern. Die meisten Dinge lassen sich irgendwie wieder richten, aber dies nicht. Ich weiß nicht, wie man über solch einen schlimmen Verlust hinwegkommen kann. Die Tatsache, daß Chris nicht mehr da ist, ist ein stechender Schmerz, den ich jeden einzelnen Tag spüre. Es ist wirklich schwer. An einigen Tagen ist es besser als an anderen, aber es wird für den Rest meines Lebens jeden Tag schwer sein.«
    Plötzlich wird die Stille von den schlagenden Rotorblättern des Hubschraubers erschüttert. Er senkt sich in einer Spirale aus den Wolken hinab und landet auf einem mit Berufkraut bewachsenen Flecken. Wir klettern hinein. Der Hubschrauber hebt sich in die Lüfte, bleibt einen kurzen Moment lang im Schwebeflug stehen. Dann geht er in Schräglage und driftet steil nach Südosten ab. Ein paar Minuten lang ist zwischen den verkümmerten Bäumen das Dach des Busses noch zu sehen, ein winziger weißer Schimmer in einem wilden, grünen Meer. Der weiße Schimmer wird kleiner und kleiner, dann ist er weg.

Buch
    Im August 1992 wurde die Leiche eines unbekannten Mannes im unendlichen Eis von Alaska gefunden, der, ausgestattet mit einer kleinen Pistole und einem Fünf - Kilo - Sack Reis, vier Monate zuvor aufgebrochen war, um die Wildnis kennenzulernen. Nachdem seine Identität geklärt war, ging die Geschichte von Chris McCandless durch sämtliche Zeitungen Amerikas - wer war er, und was war ihm zugestoßen? Warum hatte er keine Hilfe gesucht, oder wollte er etwa sterben?
    Jon Krakauer, der bedeutende amerikanische Wissenschaftsjournalist, ist der seltsamen Vorgeschichte von McCandless auf den Grund gegangen und er hat ein wunderbares Buch geschrieben über die Sehnsucht, die diesen Mann veranlaßte, sämtliche Besitztümer und Errungenschaften der Zivilisation hinter sich zu lassen, um tief in die wilde und einsame Schönheit der Natur einzutauchen - eine Sehnsucht, die gerade in unserem ausgehenden Jahrhundert zur immer reizvolleren Herausforderung geworden ist.

Autor
    Jon Krakauer, Jahrgang 1942, lebt mit seiner Frau in Seattle und arbeitet als Wissenschaftsjournalist für amerikanische Zeitschriften, darunter Outside«. Für seine Reportagen wurde er mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Zuletzt machte er mit einer gewagten Mount - Everest - Expedition von sich reden.

Copyright
    Die Originalausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Into the Wild« bei Villard in New York.
     © Jon Krakauer 1996
     
    Deutsche Ausgabe:
    © Piper Verlag GmbH, München 1997
    Satz, Druck und
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