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Die Strozzi

Die Strozzi

Titel: Die Strozzi
Autoren: Ingeborg Walter
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VERBANNUNG
    «V om dreizehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert hat es auch immer ein auswärtiges Florenz gegeben.» So beginnt Leopold von Ranke seine biographische Studie über Filippo Strozzi, den letzten bedeutenden Vertreter dieser alten florentinischen Familie. Ranke berührt hier ein Problem, das die italienischen Stadtstaaten seit ihrer Entstehung belastete und schließlich auch zu ihrem Untergang beitrug. Es handelte sich um die gängige Praxis, die in Opposition zur herrschenden Partei stehenden Bürger aus der Stadt zu entfernen, indem man sie verbannte. Der Bann war ein altes Rechtsinstitut, das in den Gesetzen der italienischen Kommunen fest verankert war. Verbannt wurde ursprünglich der Angeklagte, der eine gerichtliche Vorladung nicht befolgte und sich damit der «contumaciaff, der Widerspenstigkeit gegen das Tribunal, schuldig machte. Indem er sich dem Prozess entzog, gestand er zugleich seine Schuld ein. Die Strafe des Banns bedeutete für den Betroffenen den Ausschluss aus der Gemeinschaft der Bürger. Er verlor den Schutz der Gesetze und wurde damit vogelfrei, war jedem ausgeliefert, der ihm an Leib und Besitz schaden wollte.
    Mit der Zeit wurden auch unabhängig von der «contumacia» viele gemeine Straftaten mit dem Bann sanktioniert, und früh schon griff man auf dieses alte Rechtsmittel zurück, um politische Gegner auszuschalten. In den italienischen Kommunen wurde der Bann nur allzu oft verhängt, als im 13. und 14. Jahrhundert in den nord- und mittelitalienischen Städten die Kämpfe zwischen Magnaten und Popolanen tobten und sich mit den Konflikten zwischen Guelfen und Ghibellinen verschränkten: Die Gegner der Partei, die an der Regierung war, wurden als Rebellen und Verräter für längere oder kürzere Zeit aus der Stadt relegiert. Auf diese Weise kam es nicht selten zu Massenaustreibungen.Die inneren politischen Konflikte lösten solche Maßnahmen freilich nicht, denn die Verbannten fanden Zuflucht und Unterstützung in den Städten, in denen die Partei ihrer Couleur am Ruder war, und dort bildeten sie jene «auswärtigen» Ableger ihrer Gemeinwesen, von denen Ranke spricht. Dieser Ausdruck ist ganz wörtlich zu nehmen, denn die Ausgewiesenen gründeten oft eigene Kommunen, die in der Form den heimischen Strukturen nachgebildet waren. Der Ausschluss eines Teils der Bürger bedeutete indessen eine permanente Gefahr für die Mutterstadt, da die Verbannten nichts unversucht ließen, um mit Gewalt zurückzukehren, die dort herrschende Partei zu stürzen und sich selbst an die Spitze des Gemeinwesens zu setzen – ein fataler Kreislauf, der nie zum Stillstand kam.
    Wie in vielen anderen italienischen Kommunen lieferten sich auch in Florenz Guelfen und Ghibellinen im 13. und weit bis ins 14. Jahrhundert hinein blutige Kämpfe, wobei es immer wieder zur Verbannung von Anhängern der jeweiligen Gegenpartei kam. Der große Dichter Dante Alighieri wurde eines der berühmtesten Opfer dieser Konflikte, seine
Göttliche Komödie
ist zutiefst von der Erfahrung des Exils geprägt. Während die inneren Konflikte im 14. Jahrhundert in den meisten Städten zur Ausbildung einer Alleinherrschaft – Signoria – führten, blieb Florenz seiner republikanischen Verfassung treu. Hier lag seit dem Ausgang des 13. Jahrhunderts die Macht in den Händen der Bankiers, Kaufleute und Handwerker, die in Zünften organisiert waren und dank der Zugehörigkeit zu diesen auch die politischen Rechte besaßen. Die Parteienkämpfe blieben aber in Florenz auch weiterhin ein fester Bestandteil des politischen Lebens und der Bann das Mittel, den innenpolitischen Spannungen eine, wenn auch prekäre, Lösung zu geben. Meist standen sich dabei weniger Einzelpersönlichkeiten als Familiengruppen gegenüber. Ganze Familien wie die Bardi und die Alberti mussten zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert die Stadt verlassen und wurden ihrer politischen Rechte beraubt. Die Sanktionen waren abgestuft, sie gingen von einem zeitweiligen Verlust der politischen Rechte bis zur Auflage, für eine bestimmte Dauer in einem anderen Ort zu weilen. Im schlimmsten Fall kam es zu einer Verurteilung als Rebell, was jede Rückkehr ausschloss und die Beschlagnahme des Vermögens durch die Kommune nach sich zog.
    Als die Medici 1434 die politische Vormacht in Florenz gewannen, schickte Cosimo de’ Medici als Erstes seine Gegner ins Exil und in der Folge noch viele andere, die sich gegen sein Regime stellten oder es zu stürzen versuchten. Aber die
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