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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition)
Autoren: Dennis Lehane
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  September in Tampa anlegten.
    Bei ihrer Ankunft wurden sie von Seppe Carbone und Enrico Pozzetta in Empfang genommen, die unter Dion rasant Karriere gemacht hatten. Seppe hielt ihm Seite fünf der Tribune entgegen:
    BERÜCHTIGTER SYNDIKATSBOSS KEHRT NACH YBOR ZURÜCK
    Wie dem Artikel zu entnehmen war, hatte der Ku-Klux-Klan bereits entsprechende Maßnahmen angekündigt, und das FBI erwog seine Verhaftung.
    »Du liebe Güte«, sagte Joe, »wie kommen die nur immer auf diesen Mist?«
    »Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen, Mr.   Coughlin?«, fragte Seppe.
    Joe trug einen Regenmantel aus Seide über seinem Anzug. Er war in Lissabon für ihn angefertigt worden, und der Stoff lag so federleicht um seine Schultern, dass er ihn kaum spürte, doch kein Regenguss würde ihm etwas anhaben können. Während der letzten Stunden auf dem Schiff hatte Joe beobachtet, wie sich dunkle Wolken über ihnen zusammenballten. Die Regenzeit in Kuba mochte um ein Vielfaches schlimmer sein als hier, doch auch in Tampa war es kein Vergnügen, nass zu werden.
    »Danke, ich behalte ihn an«, sagte Joe. »Aber du könntest meiner Frau das Gepäck abnehmen.«
    »Selbstverständlich, Mr.   Coughlin.«
    Sie verließen die Ankunftshalle und gingen zum Parkplatz, Seppe rechts von Joe, Enrico links von Graciela. Joe trug Tomas, der ihm die Arme um den Hals gelegt hatte. Er sah gerade auf seine Uhr, als der erste Schuss fiel.
    Seppe starb im Stehen. Er ließ Gracielas Tasche nicht los, als die Kugel sich ihren Weg durch seinen Schädel bahnte. Joe wandte sich um, als Seppe zu Boden ging. Dem ersten Schuss folgte ein zweiter, worauf der Schütze etwas mit rauher Stimme hervorstieß. Tomas fest an sich gepresst, warf Joe sich schützend auf Graciela; zusammen stürzten sie zu Boden.
    Tomas schrie auf, eher vor Schreck als vor Schmerz, und Graciela gab ein Ächzen von sich. Er hörte, wie Enrico zu feuern begann, doch als er zu ihm hinüberblickte, sah er, wie Blut seinen Hals hinabströmte, viel zu viel und viel zu schnell. Trotzdem feuerte er weiter, was das Zeug hielt, zielte dabei unter einen Wagen, der nur wenige Meter von ihnen entfernt stand.
    Und plötzlich verstand Joe, was der Schütze sagte.
    »Tut Buße. Tut Buße.«
    Tomas gab erneut einen spitzen Schrei von sich – und diesmal war es eindeutig Angst, die in seiner Stimme schwang.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er Graciela.
    »Ja, mir ist nur einen Moment die Luft weggeblieben. Geh schon.«
    Joe rollte sich seitlich ab, zog seine 32er und schoss in die gleiche Richtung wie Enrico.
    »Tut Buße.«
    Zusammen feuerten sie auf ein Paar braune Stiefel, die sie unter dem Auto erkennen konnten.
     »Tut Buße.«
    Und dann landeten Joe und Enrico gleichzeitig einen Volltreffer. Enrico blies ein Loch in den linken Stiefel des Angreifers, im selben Moment, als Joes Kugel dessen Knöchel zerschmetterte.
    Enrico hustete ein letztes Mal, und einen Sekundenbruchteil später war er tot. Es ging so schnell, dass die Waffe in seiner Hand noch immer qualmte. Joe sprang über die Motorhaube des Wagens und sah sich plötzlich Irving Figgis gegenüber.
    Er trug einen braunen Anzug, ein vergilbtes weißes Hemd und einen Strohhut. Er benutzte den langen Lauf seiner Pistole, um sich aufzurichten. Und dann stand er vor Joe auf dem Kies; sein zerschossener Fuß hing nutzlos an seinem Knöchel, die Waffe baumelte von seiner Hand.
    Er sah Joe in die Augen. »Tu Buße.«
    Joe hielt seine Waffe weiter auf Figgis’ Brust gerichtet.
    »Ach ja? Wem gegenüber?«
    »Vor Gott.«
    »Wer sagt, dass ich das nicht schon längst getan habe?« Joe trat einen Schritt näher. »Aber ich werde sicher nicht vor dir Buße tun, Irv.«
    »Dann bereue vor Gott.« Figgis’ Atem ging flach und schnell. »In meiner Gegenwart.«
    »Nein. Weil ich dir keine Rechenschaft schuldig bin.«
    Ein Schauder überlief Irving Figgis, und er schloss die Augen.
    »Sie war mein kleines Mädchen.«
    Joe nickte. »Aber ich habe sie dir nicht genommen, Irv.«
    »Aber Leute deines Schlages.«
    Irving Figgis öffnete die Augen und richtete den Blick auf eine Stelle an Joes Hüfte.
    Joe sah kurz an sich herab, konnte aber nichts Ungewöhnliches erkennen.
    »Leute wie du«, wiederholte Figgis. Noch immer starrte er auf Joes Hüfte.
    »Und was sollen das für Leute sein?«
    »Menschen, die Gott nicht im Herzen tragen.«
    »Gott ist sehr wohl in meinem Herzen. Es ist nur nicht dein Gott. Hast du dich mal gefragt, warum sie sich in deinem Bett umgebracht
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