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In der Nacht (German Edition)

In der Nacht (German Edition)

Titel: In der Nacht (German Edition)
Autoren: Dennis Lehane
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können nicht genug kriegen davon.«
    »Wie schön.«
    »Großartig ist das! Du kannst über Amerika sagen, was du willst, aber wir haben ein paar echte Exportschlager in petto.«
     Sie lächelte süffisant. »Und für die lasst ihr euch auch anständig bezahlen.«
    Das taten doch alle , dachte Joe. Was, wenn nicht der freie Handel, hielt die Welt denn sonst am Laufen? Wir geben euch etwas, und ihr gebt uns etwas dafür zurück.
    Er liebte seine Frau, aber sie schien noch immer nicht begriffen zu haben, dass ihre Heimat dabei gar nicht so schlecht wegkam. Sicher, die Kubaner waren nach wie vor abhängig von den USA , aber bevor die Amerikaner ihnen zu Hilfe gekommen waren, hatten die Spanier ihnen nichts hinterlassen als Malaria, schlechte Straßen und ein durch und durch marodes Gesundheitssystem. Unter Machado hatte sich wenig daran geändert. Aber jetzt, seit Oberst Batista an der Macht war, gab es wenigstens eine funktionierende Infrastruktur. Ein Drittel des Landes und halb Havanna hatten bereits Strom und fließend Wasser. Es gab gute Schulen und vernünftige Krankenhäuser. Die Lebenserwartung war gestiegen. Sogar Zahnärzte gab es.
    Gewiss, Amerika exportierte sein Wohlwollen gern mit vorgehaltener Waffe. Doch welches Land hatte die Zivilisation je auf friedlichem Wege vorangebracht?
    Und hatten sie in Ybor nicht dasselbe getan? Sie hatten mit Blutgeld Krankenhäuser gebaut, mit ihren Gewinnen aus dem Rumgeschäft Frauen und Kinder von der Straße geholt.
    Seit Anbeginn der Zeit waren gute Taten mit schmutzigem Geld erkauft worden.
    Und hier, im baseballverrückten Kuba, in einer Gegend, wo sie das Spiel bis vor kurzem noch mit Stöcken und bloßen Händen gespielt hatten, trugen sie nun Handschuhe, so neu, dass das Leder knarzte, und schwangen brandneue Schläger durch die Luft. Und jeden Abend nach getaner Arbeit, wenn das tägliche Soll geerntet und verpackt war, wenn die Luft nach feuchtem Tabak und Teer roch, saß Joe neben Ciggy in einem Sessel und beobachtete, wie die Schatten über die Felder krochen. Sie besprachen, wo sie die Grassamen kaufen würden, um den steinigen Acker in ein brauchbares Spielfeld zu verwandeln. Ciggy war zu Ohren gekommen, dass es hier in der Gegend eine Liga gab, und Joe bat ihn, sich genauer umzuhören, da es im Herbst auf der Plantage ohnehin nicht mehr so viel zu tun gab.
    Am Auktionstag erzielte ihr Tabak den zweithöchsten Preis. Vierhundert Lagen mit einem Durchschnittsgewicht von hundertfünfundzwanzig Kilo gingen an einen einzelnen Käufer, die Robert Burns Tobacco Company. Burns stellte die neueste amerikanische Zigarrensensation her: die Panatela.
    Um ihren Erfolg gebührend zu feiern, bekamen alle Arbeiter, Männer und Frauen eine Prämie ausgezahlt, und Joe verteilte zwei Kisten Suarez-Rum im Dorf. Auf Ciggys Vorschlag hin mietete er sogar einen Bus und spendierte dem Baseballteam seinen ersten Kinobesuch. Zusammen fuhren sie ins Bijou nach Viñales.
    In der Wochenschau ging es um die Nürnberger Gesetze, die in Deutschland gerade in Kraft getreten waren – die Aufnahmen zeigten verängstigte Juden, die ihre Habseligkeiten in ein paar Koffer warfen und alles andere hinter sich zurückließen, um mit dem nächstbesten Zug ins Ausland zu entkommen. Joe hatte erst kürzlich irgendwo gelesen, dass man den Reichskanzler Adolf Hitler wohl tatsächlich als eine Bedrohung des brüchigen Friedens in Europa ansah, doch er bezweifelte, dass dieser lächerliche kleine Mann mit seinem Irrsinn noch viel weiter kommen würde, jetzt, da die ganze Welt auf das Deutsche Reich sah. Mit solcher Politik war doch beim besten Willen kein Profit zu machen.
    Die Kurzfilme, die im Anschluss gezeigt wurden, waren nicht der Rede wert. Trotzdem wollten sich die Jungs schier kaputtlachen, ihre Augen so groß wie die Baseballhandschuhe, die er ihnen neulich geschenkt hatte. Es dauerte einen Moment, bis Joe begriff, dass sie die Wochenschau für den Hauptfilm gehalten hatten, so unbekannt war ihnen das Medium.
    Der Film, der an diesem Abend gezeigt wurde, war ein Western mit Max Moran und Estelle Summers in den Hauptrollen – Der Ritt über den Höllenpass. Als der Vorspann über die Leinwand flimmerte, scherte sich Joe, der sowieso nicht sonderlich viel von Filmen hielt, keinen Deut darum, wer für die Produktion verantwortlich war. Genau genommen wollte er sich gerade seinen rechten Schuh zubinden, als ein Name auf der Leinwand ihn plötzlich aufmerken ließ:
    Drehbuch
    Aiden Coughlin
    Joe
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