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Archer Jeffrey

Archer Jeffrey

Titel: Archer Jeffrey
Autoren: Das Elfte Gebot
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ERSTES BUCH
Der Mannschaftsspieler
1
     
    Als er die Tür öffnete, schrillte die Alarmglocke.
    Ein solcher Fehler durfte einem Amateur unterlaufen, nicht aber Connor Fitzgerald, der in seinen Kreisen als das unübertroffene As galt.
    Fitzgerald hatte damit gerechnet, daß mehrere Minuten verstreichen würden, bevor die policia auf einen Einbruch im Stadtteil San Victorina reagierte. Das alljährliche Freundschaftsspiel gegen Brasilien fing erst in zwei Stunden an, doch gut die Hälfte der Fernsehgeräte hier in Kolumbien waren gewiß schon eingeschaltet. Wäre Fitzgerald nach Beginn des Spiels in der Pfandleihe eingebrochen, hätte die policia sich bestimmt nicht vor dem Schlußpfiff bequemt, der Alarmmeldung nachzugehen. Es war allgemein bekannt, daß die hiesigen Ganoven sich während des Freundschaftsspiels beinahe zwei Stunden uneingeschränkter krimineller Bewegungsfreiheit erfreuen konnten. Doch Fitzgeralds Vorkehrungen für diese Zeitspanne würden dafür sorgen, daß die policia hinter Schatten herjagte. Und es würden Wochen, wenn nicht Monate vergehen, ehe irgendjemand den wahren Grund für den Einbruch an diesem Samstagnachmittag herausfand.
    Der Alarm schrillte immer noch, als Fitzgerald die Hintertür schloß und durch das kleine Lager zum Laden an der Straßenseite eilte. Er beachtete die Reihen von Uhren auf ihren Halterungen ebensowenig wie die Smaragde in ihren Zellophanhüllen oder den Goldschmuck aller Art und Größe, der hinter einem eleganten und zugleich soliden Schutzgitter ausgestellt war. Sämtliche Artikel waren sorgfaltig mit Namen und Datum ausgezeichnet, damit die vielleicht nur zeitweilig in finanzielle Verlegenheit geratenen Besitzer ihre Familienerbstucke binnen sechs Monaten auslösen konnten. Aber das taten nur wenige.
    Fitzgerald schob den Vorhang aus Holzperlenschnüren zwischen Lager und Laden rasch zur Seite. Hinter dem Verkaufstisch blieb er stehen und blickte auf einen leicht ramponierten ledernen Aktenkoffer auf einem Tischchen in der Mitte des Schaufensters. Am Verschluß waren die Initialen D.V R. in abgewetzter Goldprägung zu erkennen. Fitzgerald rührte sich nicht, bis er sicher war, daß niemand hereinschaute.
    Er hatte das handgefertigte Meisterwerk erst am heutigen Tag zum Pfandleiher gebracht und diesem versichert, daß er nicht die Absicht habe, jemals nach Bogota zurückzukehren, um es wieder auszulösen; deshalb dürfe es sofort verkauft werden. Fitzgerald wunderte sich daher nicht, daß der Koffer bereits ins Schaufenster gestellt worden war. Einen zweiten wie ihn gab es zweifellos in ganz Kolumbien nicht.
    Er wollte soeben über den Tresen steigen, als ein junger Mann am Schaufenster vorüberschlenderte. Fitzgerald erstarrte, doch der Mann interessierte sich ausschließlich für das kleine Radio, das er sich ans linke Ohr drückte. Fitzgerald beachtete er ebensowenig, wie er auf eine Schneiderpuppe achten würde. Als der junge Bursche nicht mehr zu sehen war, schwang Fitzgerald sich über den Ladentisch und ging zum Fenster. Er blickte die Straße hinauf und hinunter, ob irgend jemand ihn möglicherweise beobachten konnte, und stellte erleichtert fest, daß niemand zu sehen war. Mit einer raschen Bewegung griff er nach dem Koffer und hob ihn auf. Er sprang zurück über den Tresen; dann drehte er sich um und blickte aus dem Fenster, um sich zu vergewissern, daß kein neugieriges Auge den Diebstahl beobachtet hatte.
    Fitzgerald schob den Perlenvorhang zur Seite und ging zu der geschlossenen Tür. Er schaute auf die Uhr. Die Alarmglocke schrillte seit nunmehr achtundneunzig Sekunden. Auf der Gasse blieb er kurz stehen und lauschte. Hätte er das Heulen einer Polizeisirene vernommen, wäre er nach links abgebogen und in dem Labyrinth von Straßen hinter der Pfandleihe verschwunden. Doch vom Alarm in dem Laden abgesehen, blieb alles still. So wandte er sich nach rechts und spazierte scheinbar gleichmütig in Richtung Carrera Septima.
    Als Connor Fitzgerald den Bürgersteig erreichte, blickte er nach links, dann nach rechts und schlängelte sich durch den mäßigen Verkehr zur gegenüberliegenden Straßenseite, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Er betrat ein fast bis zum letzten Platz gefülltes Restaurant, wo eine Gruppe lautstarker Fußballfans vor einem riesigen Fernseher hockte.
    Niemand beachtete ihn. Das ausschließliche Interesse der Anwesenden galt den endlosen Wiederholungen der drei Tore, die Kolumbien im vergangenen Jahr geschossen hatte. Fitzgerald
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