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In der Mitte des Lebens

Titel: In der Mitte des Lebens
Autoren: Margot Käßmann
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Lebenserfahrungen
     haben wir gemacht, gute und schlechte. Aber es kommt auch noch Neues, die Spannung ist ja nicht vergangen. Es ist das Gefühl, dass dein Standbein fest
     steht, du innere Ruhe und Kraft gefunden hast. Aber das Spielbein will auch frei sein, es gibt auch Lust auf Bewegung, auf Neues. Dabei bleibt bewusst,
     dass die tatsächliche Mitte eigentlich nicht die 50 ist, sondern in aller Regel davor liegt. Aber das Lebensgefühl der Mitte stellt sich offenbar um die
     50 herum ein, jedenfalls bei Menschen, die unter so privilegierten Bedingungen wie in Deutschland und Westeuropa aufwachsen.
    Wer balanciert, versucht, nicht nach links oder rechts abzugleiten, nicht zu wanken, einen Stand zu finden, fest zu stehen, im Gleichgewicht zu sein
     und so auch weiterzukommen. Balance ist deshalb ein schönes Bild für diese Lebensmitte, finde ich. Eine Balance, die Kraft gibt und auch Mut macht. Martin
     Luther war noch jung, als er vor dem Reichstag zu Worms sagte: »Ich stehe hier, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen.« Ob diese Sätze wörtlich so
     gefallen sind, ist umstritten. Aber sie sind sinnbildlich geworden für einen Menschen, der die eigene Mitte gefunden hat, der weiß, wo er steht. Die
     Balance ist immer wieder Thema dieses Buches, denn in jedem Kapitel geht es darum, sie auszutesten und den festen Stand zu finden in den verschiedenen
     Anforderungen, die immer wieder auch von außen auf uns zukommen und uns manchmal durchaus ins Wanken bringen.
Kinder loslassen
    Ein Mann hatte zwei Söhne. Der Jüngere von ihnen sagte zum
    Vater: Vater, gib mir den Anteil des Vermögens, der mir zukommt.
    Da teilte er den Besitz unter sie auf. Wenige Tage darauf packte der
    jüngere Sohn alles zusammen und zog fort in ein fernes Land … 1
    »Als unser Jüngster aus dem Haus ging«, erzählt eine Freundin, »das war furchtbar für mich. Ich wollte ja, dass er geht, ich wusste,
     er muss gehen, aber es war der Abschied vom Leben als Familie in unserem Haus, das war mir ganz klar.«
    Kinder sind etwas Wunderbares. So habe ich selbst das im wahrsten Sinne des Wortes erfahren. Meine vier Töchter haben über ein Vierteljahrhundert mein Leben bestimmt, den Alltag geprägt, sie sind ein großer Schatz. Immer würde ich sagen: Sie stehen vor allem anderen, vor beruflichen Verpflichtungen, vor Beziehungen, Freundschaften. Und doch habe ich in den letzten Jahren begriffen: Unsere Kinder sind eben nicht die einzige Erfüllung unseres Lebens. Wir müssen sie freigeben. Sie sind eigenständige Menschen mit eigenen Interessen und Plänen. Klammern ist kontraproduktiv. Mir selbst fällt das Freigeben leicht, wohl auch, weil ich manches Mal erschöpft war durch die Doppelbelastung von Familie und Beruf. Bei anderen erlebe ich, dass es ihnen unendlich schwerfällt, eine neue Mitte zu finden, wenn nicht länger alles um die Kinder kreist.
    Aber auch hier sind die Konstellationen sehr unterschiedlich. Frauen, die früh Kinder bekommen haben, sind früher frei von den Verpflichtungen, die das Muttersein mit sich bringt. Eine Frau, die mit 40 Mutter wird, hat mit 50 gerade erst die Grundschulphase ihres Kindes oder ihrer Kinder hinter sich und steckt noch eine Weile im Alltag mit Kindern. Berufstätige Frauen haben es manchmal leichter, den »Auszug« der Kinder schließlich zu verkraften, weil sie anderweitig gefordert sind. Aber auch Frauen, die nicht berufstätig sind, haben in der Regel viele Felder, in denen sieengagiert sind. Für Männer ist diese Phase noch einmal anders. Manche erklären, sich nun stärker der Familie widmen zu wollen – und bemerken, dass die Familie sie gar nicht mehr so sehr braucht. Auch das kann ja Auslöser der so genannten »Midlife-Crisis« sein, kann mit Panik vor dem Altwerden verbunden sein.
    Auf jeden Fall bringt das Erwachsenwerden der eigenen Kinder eine erhebliche Veränderung mit sich. Von der Geburt eines Kindes an steht es ja im Mittelpunkt der Zeitplanung seiner Eltern. So wie die Geburt des ersten Kindes das Leben völlig verändert, so eben auch der Auszug des Letzten. Gemeinsame Mahlzeiten fallen weg, die Tagesplanung dreht sich nicht mehr um das Kind. Viele erfahren das als großen Verlust und erleben diese Phase als Abschied, ja als Trauer um die gemeinsame Zeit, die unwiderruflich zu Ende geht.
    Andere Eltern machen ganz andere Erfahrungen. In ihrem Buch Werden Sie wesentlich! Die Frau um die 50 beschreiben Ingke Brodersen und Renée Zucker die Irritation der Kinder
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