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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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Sekunden schlichen dahin, und ich wartete – wartete in unbeschreiblicher Angst. Die Sonne war gesunken und überschüttete die flachen Häuser mit glühendrotem Schein. Unter mir in den Höfen des Gefängnisses begann lärmendes Schwatzen in gutturalem Arabisch. Die Gefangenen bekamen ihr Essen, und während der Essensstunde durften sie sprechen. Mir schien es, als ob die armen Teufel in meine Gedanken hineinschwatzten, das summende Geräusch da unten tat mir wehe, ich konnte es nicht mehr ertragen ...
    »Ruhe!« schrie ich hinunter.
    Sofort wurde es still. Ein Aufseher rief mir zu, ich hätte mich geirrt. Sprechen sei jetzt gestattet. »Pas défendu de parler,« sagte er zu den Gefangenen, und die Araber sahen mit bösen Augen zu mir herauf.
    Und ich wartete.
    Viele Stunden lang schien mir dieses angstvolle Warten gedauert zu haben, als der Korporal mit den ablösenden Posten kam. Die formellen Worte der Posteninstruktion wurden gewechselt. Wir waren im Dienst, es war gegen alle Disziplin – aber ich konnte nicht mehr warten:
    »Sie haben einen Brief für mich, Korporal?« fragte ich.
    »Jawohl,« antwortete er. »Sie können ihn haben, wenn ich mit der Ablösung der Posten fertig bin. En avant – marche ... «
    Wieder Minuten des Wartens, quälendes Wundern, was wohl in dem Brief stehen mochte. Endlich kam der Wachhabende zurück und griff in seine Tasche:
    »Voilà!«
    Aus dem weißen Briefumschlag leuchteten mir die Züge einer unvergeßlichen Handschrift entgegen. Ich ging hinaus in den viereckigen Hof, der nun leer war, weil die Gefangenen wieder in ihre Zellen eingesperrt worden waren. Ich las und las ..., immer wieder, immer wieder.
    Die große Liebe reichte dem verlorenen Legionär die Hand und sprach von kommendem Glück. In langen Jahren, wenn der Legionär kein Legionär mehr sein würde. Und die Zeilen trugen Tränenspuren.
    Mir war es, als müßte ich mir die Uniform vom Leibe reißen, dieses Zeichen der Knechtschaft, das mich zur Untätigkeit verdammte. Wenn ich nur draußen in der Welt wäre, arbeiten könnte, schaffen könnte. So stürmte es in mir. Im Dunkel des häßlichen Hofes träumte ich Bilder der Vergangenheit, die zum Greifen nahe schienen und doch so hoffnungslos fern waren. Die vier Stunden Zeit zwischen Wache und Wache kauerte ich regungslos im Zellenhof.
    In diesen Stunden ist die Energie entstanden, die mir ein neues Leben schuf.
    Meine Wache kam wieder, zwei Stunden, die in Hoffnungsträumen wie im Flug verrannen. Und dann setzte ich mich, während Korporal und Kameraden schliefen, vier Stunden lang an den kleinen Tisch im Wachzimmer und schrieb mit des Korporals Bleistift auf den Rückseiten der Meldungsformulare einen langen, langen Brief. Seite auf Seite. Unzusammenhängendes Stammeln.
    *
    Am nächsten Tage schon kam ein Brief meiner Mutter, ein lieber Brief, der weder Fragen stellte noch Vorwürfe machte. Nur Güte und Sorge sprachen aus ihm. Er löste auch das Rätsel, wie ich gefunden worden war. Nach vielen Monaten des Wartens und Beratens waren die Menschen, die mich lieb hatten, auf den Gedanken gekommen, ich könne in der Fremdenlegion sein. Die letzte Nachricht stammte ja aus Belfort. Meine Mutter schrieb an den kommandierenden General der Festung und an das französische Kriegsministerium. Die Antwort lies lange auf sich warten, aber schließlich brachte sie die Nachricht, ich sei in Sidi-bel-Abbès Soldat der Fremdenlegion – Legionär Nummer 17889.
    Mit jener Stunde im Arabergefängnis, die mir den ersten Brief brachte, begannen schwere Tage. Ich tat meinen Dienst und meine Arbeit wie eine Maschine, ich dachte an nichts als an die Briefe, die mir die nächste Post bringen würde. Mit keinem Menschen sprach ich mehr und machte täglich lange Spaziergänge in den stillen Alleen bei der Festungsmauer, um in meiner freien Zeit allein zu sein. Schließlich beherrschte mich ein Gedanke völlig: Flucht!
    Wochenlang wanderten die Briefe hin und her, und immer wieder brachten sie die flehentliche Bitte, Geduld zu haben. Ich müsse daran denken, daß alles Zukunftshoffen ein Ende haben würde, wenn man mich als Deserteur ergriffe. Lieber noch Jahre lang warten, als alles aufs Spiel setzen! Aber ich konnte nicht mehr! Eines Tages brachte mir die Militärpost wieder einen Brief meiner Mutter. Als ich ihn öffnete, hielt ich Banknoten über eine große Summe Geldes in Händen.
    Das war die Freiheit! Wie im Traum schritt ich über den Kasernenhof. Das Geld, das in meiner Tasche
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