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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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nicht wär'!«
    *
    Alle Laster waren vertreten! Die brutale Gewinnsucht, der schrankenlose Egoismus eines harten Lebens regierte. Man neidete dem Kameraden den Bissen Fleisch, den Schluck Wein, das Stückchen Brot; man betrachtete mit bösen Augen der Mißgunst und des Neides den Glücklichen, der ein paar Silberstücke gesandt bekam.
    Es wird intriguiert – verleumdet – gelogen – gestohlen – – die Legion bringt alle schlummernden schlechten Seiten des menschlichen Charakters zu voller Entwicklung.
    Wessen ist die Verantwortung?

Meine Flucht.
    Im Arabergefängnis. – Der Brief. – Schwere Tage. – Flucht! – Der gewinnsüchtige »Crédit Lyonnais« . – Schacher im Ghetto. – Toilette unter Palmen. – Auf den Bahngeleisen. – Von arabischen Gendarmen und fürchterlichen Minuten. – Fahrt nach Oran. – Vorbereitungen. – Qualvolle Minuten auf dem »St. Augustin«. – Marseille-Ventimiglia. – Frei! Frei!
    Die Tage kamen und gingen, und mit jedem Tag fühlte ich mich verlassener, vergessener, – Legionär in Afrika.
    Ich war immer traurig.
    Eines Tages war ich auf Wache im Arabergefängnis von Sidi-bel-Abbès, einem häßlichen, düsteren Gebäude inmitten der Stadt. Ein alter Sergeant hauste dort als Gefängnisaufseher und hielt, mit zwei Gendarmen als Gehilfen, die arabischen Sträflinge in harter Zucht. Das Gefängnis war stets überfüllt. Die kleinen Diebereien auf dem öffentlichen Markt, die fortwährenden Fehden im Negerviertel, bei denen die landesüblichen matraques immer eine körperverletzende Rolle spielten, sorgten dafür, daß in dem grauen Haus beim Place Sadi Carnot die Zellen niemals leer wurden. Die gefangenen Eingeborenen waren aber oft genug widerspenstig geworden, und es hatte häufig Meutereien gegeben. Seitdem stellte, als vorbeugende Friedensmaßregel, die Legion dem Arabergefängnis alltäglich und allnächtlich ein Wachkommando von einem Korporal und sechs Legionären zur Verfügung. Langsam schritt ich dahin, das Gewehr mit aufgepflanztem Bajonett über der Schulter, oben auf der breiten Mauer, die in weitem Viereck das Gefängnis umsäumte. Die Sonne brannte erbarmungslos hernieder. In den winzig kleinen Gefängnishöfen unter mir kauerten die gefangenen Araber in kleinen Gruppen beisammen, in dumpfem schweigendem Nichtstun. Im Gefängnis durfte nicht gesprochen werden. In die Stille tönte nur die scharfe Kommandostimme eines Aufsehers dann und wann hinein, und das schallende Dröhnen meiner Tritte auf den Steinen der Mauer. Gedankenlos machte ich meinen vorgeschriebenen Weg, das Gefängnisviereck beständig umwandelnd, in ewig gleichem Marschschritt.
    Ich konnte weit sehen von der hohen Mauer. Die Stadt lag in der Sonnenhitze wie tot da. Die Fensterläden an den Häusern waren geschlossen, die Straßen waren öde und menschenleer. In der zitternden heißen Luft schimmerten in weiter Ferne in undeutlichen Umrissen die Felsen des Thessalagebirges. Kein Lüftchen ging.
    Zwei Legionäre im weißen Arbeitsanzug, einen großen Kessel schleppend, bogen in die zum Gefängnis führende Straße ein. Soldaten unserer Kompagnie, die uns die Abendsuppe brachten. Sie riefen mir irgend etwas zu, das ich nicht verstand, und ich dankte mit einem gleichgültigen Kopfnicken. Dann läuteten sie am Gefängnistor und mußten lange warten, bis der Aufseher mit seinem klirrenden Schlüsselbund öffnete, und sie ihren Suppenkessel in die Wachtstube tragen konnten. Nach einigen Minuten kam einer von ihnen in den Zellenhof beim Wachlokal und winkte mir, ich solle näher kommen. Als ich ihm entgegenging, sah ich, daß er ein weißes Etwas emporhielt.
    »Eh, une lettre pour toi!« rief er herauf, »ein Brief für dich.«
    Da wurde ich ärgerlich und schrie hinunter, er solle machen, daß er weiterkomme. Es sei zu heiß für schlechte Witze. Ich bekäme überhaupt keine Briefe.
    »Hier ist aber einer!« sagte der Mann. »Dein Name, deine Nummer, alles in Ordnung! La, la – ich gehe – deinen Brief gebe ich dem Korporal. Allah bessere deine schlechte Laune! Sapristi, welche Hitze!«
    Eine halbe Stunde hatte ich noch auf meine Ablösung zu warten. Es waren fürchterliche Minuten. Ein Brief – ein Brief! Wie war das nur möglich, da doch niemand wissen konnte, wissen sollte, wo ich war und was ich war! In heißen Wellen stieg mir das Blut in den Kopf. Und mit einemmal wußte ich, daß nur ein einziger Mensch an mich geschrieben haben konnte, daß die große Liebe nicht gestorben war.
    Die
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