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In der Fremdenlegion (German Edition)

Titel: In der Fremdenlegion (German Edition)
Autoren: Erwin Rosen
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geschrieben sein. Was wurde in der Kantine des Fremdenregiments alles zusammengetrunken! Der Liter – der Liter Wein – war ja die Scheidemünze, nach der gerechnet wurde. Das ist etwas Selbstverständliches im Rayon der Fremdenkaserne, so selbstverständlich, daß der Legionär, wenn er von einem begüterten Kameraden gefragt wird, ob er für ihn waschen wolle, nur in beredter Mimik antwortend einen Finger hochhält; das bedeutet natürlich: un litre !
    »Ja, wenn der Wein net wär' ...« Guttingers Lieblingsausspruch ist mir unvergeßlich!
    Exakte statistische Belege sind nicht beizubringen. Aber ich bin sicher, daß nicht nur die gute Hälfte der mageren Löhnungspfennige in rotem Algierwein ihre Verwendung fanden, sondern daß neun Zehntel, nein, neunundneunzig Hundertstel der vielen, vielen Silberstücke, die aus allen Ländern Europas von bekümmerten Eltern und Verwandten an Legionäre fortwährend gesandt werden, die Revenuen von Madame la cantinière und den Wohlstand des algerischen Weinbaus heben.
    Dies soll keine Denunziation sein. – Niemand hat, wenn man mit den Augen des Verständnisses den Legionssoldaten betrachtet, mehr Sorgen als er, mehr Anrecht auf trostspendendes Vergessenkönnen – der Mann der roten Hosen ist übel genug daran. Ich möchte nur illustrieren, welch' ungeheure Rolle der Wein im Legionsleben spielt. Er ist das einzige Zerstreuungsmittel, die einzige Quelle des Vergnügens. Aber auch das Generallaster.
    Der Wein ist schuld an so vielen Strafen. Trunkenheit ist eine »sale offense« im militärischen Jargon, ein schmutziges Vergehen, das schwer bestraft wird und dem Strafbataillon wie dem Kriegsgericht fortwährend neue Klienten zuführt.
    In meiner Kompagnie war eines von diesen Opfern des Weins, der Belgier Lascelles. Von irgendeinem Verwandten bekam er öfters eine Postanweisung über eine ganz kleine Summe; fünf Franks waren es immer, glaube ich. Sobald er das Geld in Händen hatte, verschwand er prompt nach Beendigung des Dienstes aus der Kaserne und kam nach etwa 24 Stunden zurück, sinnlos betrunken. Solange die Kupferstücke reichten, war er von Weinschenke zu Weinschenke getaumelt und hatte Flasche auf Flasche geleert. Ins Gefängnis kam er nach seiner Rückkehr schon wegen der Urlaubsüberschreitung; gewöhnlich aber machte er zur Feier des Tages auch noch großen Skandal und sammelte sich eine ganze Bescherung an kleinen und großen Delikten zusammen, die alle einzeln mit der entsprechenden Strafe geahndet wurden. Von Monat zu Monat stieg die Zahl seiner im Gefängnis verbrachten Tage. Von simplen acht Tagen bis zu dreißig Tagen Einzelhaft. In der Zwischenzeit war Lascelles ein ausgezeichneter Soldat, der willig seinen Dienst verrichtete. Wenn jedoch sein Name beim Appell aufgerufen wurde: Lascelles, Postanweisung abholen! – so saß er sicherlich genau einen Tag später von neuem im Gefängnis. Er konnte von seinem Austoben in Algierwein nicht lassen! In wenigen Monaten machte er die Skala der Regimentsstrafen durch, bis das vorläufige Ende kam mit seiner Verschickung in das Bataillon der Disziplinäre.
    Lascelles war wenigstens selbst an seinem Unglück schuld. Andere aber werden, wenn sie dem Wein der Legion unterlegen sind, in voller Absicht ins Unglück hineingetrieben. Es ist ein alter Trick schlauer Unteroffiziere der Fremdenlegion, die Trunkenheit eines Mißliebigen zu seinem Verderben auszunützen. Sie warten den Moment ab, bis er einmal betrunken in die Kaserne kommt, gehen ihm in sein Mannschaftszimmer nach und geben ihm irgendeinen Befehl. Der Betroffene fühlt natürlich das Unmotivierte, Gehässige der Handlungsweise heraus und ist gerade in der richtigen Laune, um an Gefahr nicht zu denken. Er antwortet mit einem derben Schimpfwort. Das hatte der Unteroffizier nur gewollt. Selbst wenn der Mißliebige nun so weit ernüchtert ist, daß er den dienstlichen Befehl ausführt, so wird er doch für das Schimpfwort schwer bestraft. Beharrt er aber im »Ungehorsam«, dann kommt er vor das Kriegsgericht!
    Der Trick ist berüchtigt in der Legion, und fast nur Rekruten und ganz alte Legionäre, wenn sie nicht nur betrunken sind, sondern auch noch am Cafard laborieren, werden seine Opfer. Der Durchschnittslegionär kennt die Geschichte und führt, nüchtern oder betrunken, jeden Befehl, sei er auch noch so verrückt, grinsend aus. »Nix zéphirs pour moi!« sagt er.
    ... Man sieht, es gibt auch einen anderen, düsteren Sinn des Legionswortes: »Ja, wenn der Wein
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