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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers
Autoren: Megan McFadden
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erwählt hatte. Doch Kira wollte davon nichts hören, sie war stolz auf die Fähigkeit ihrer Tochter, denn Rodenas Traumbilder hatten sich stets bewahrheitet.
    Der Tag, an dem die Wikinger gegeneinander kämpften, war ein grauer Regentag, die Wolken hingen so tief, dass sie die Wipfel der Bäume zu berühren schienen, und im düsteren Zwielicht des Waldes regte sich kaum ein Tier. Die beiden Frauen hatten sich in ihre Behausung zurückgezogen, ein tiefer Felsspalt unweit der Quelle, der schon zu Zeiten von Kiras Vater mit Steinplatten abgedeckt und als Unterschlupf genutzt worden war. Die Höhle schützte vor Gewitter und Sturm, im Sommer war es angenehm kühl hier, die Winter jedoch waren hart, denn die Felswände wurden klamm und vereisten, und auch der Regen fand seinen Weg durch die Ritzen im Stein. Es hatte Zeiten gegeben, da die Druiden hochgeachtet waren und mit den Menschen in den Dörfern lebten – doch das war lange vorbei.
    „Du denkst an ihn“, sagte Kira leise.
    Rodena saß schweigend auf dem Lager und starrte auf die Regentropfen, die an der Felswand hinabrannen und sich in einer Rinne am Boden der Höhle sammelten.
    „Wieso sollte ich an ihn denken?“, wehrte sich Rodena und strich mit beiden Händen das lange Haar aus dem Gesicht. „Er ist ein Wikinger, der unser Land überfallen hat.“
    Kira war keine Seherin, doch sie hatte einen feinen Sinn für das, was in anderen Menschen vorging, und sie wusste es aus ihnen hervorzulocken.
    „Das ist er“, gab Kira ruhig zurück und wandte sich dem Feuer zu, das bei der feuchten Witterung nicht so recht brennen wollte. „Er ist ein gemeiner Dieb, wie alle Nordmänner.“
    Rodena zog die dunklen Brauen zusammen, denn der Satz gefiel ihr nicht. „Er kommt, um Beute zu machen, das ist wahr. Doch wenn er die Klosterschätze raubt, tut es mir nicht leid. Die Mönche und Priester haben uns in den Wald vertrieben, sie haben die Bauern gegen uns aufgebracht und stellen uns nach, wo immer sie es können. Sollen die Wikinger doch ruhig ihre Klöster niederbrennen und die silbernen Geräte mitnehmen.“
    Kira verkniff sich ein Lächeln, denn Rodenas Bemühen, den Wikinger zu verteidigen, bestätigte ihre Vermutung. Das Mädchen hatte eine Schwäche für diesen rauhbeinigen Kerl. „Aber er ist ein brutaler Bursche, für den ein Menschenleben nichts wert ist“, fuhr sie fort und senkte den Blick, um ihrer Tochter nicht zu verraten, dass sie sie beobachtete.
    Rodena zuckte die Achseln und zog missmutig eine Decke um die Schultern, denn sie fröstelte. „Er ist ein Krieger, Mutter. Ob Franke oder Burgunder, Wikinger oder Alemanne, sie sind doch alle gleich. Weshalb sollte gerade dieser Wikinger schlimmer sein als andere?“
    „Das sagte ich ja gar nicht. Er ist ein Krieger, deshalb tötet er, und deshalb stürzt er sich auch auf jede Frau, die ihm über den Weg läuft.“
    „Das haben diese Kerle eben so an sich“, murmelte Rodena und zog die Knie hoch. In diesem Punkt konnte sie den Wikinger wirklich nicht verteidigen. Im Gegenteil – sein plötzliches Erscheinen an der Quelle, seine frechen Blicke und seine unverschämte Forderung hatten sie tief erschreckt. Dennoch hatte er ihr später, als er hilflos in der Falle saß, ein wenig leid getan. Auch hatte sie sich ihren Gefangenen im Morgenlicht mit einem seltsam prickelnden Gefühl besehen. Er war ein gefährlicher Bursche, dieser Räuber – aber zugleich war es aufregend, seine Muskelpakete zu betrachten, und auch seine Männlichkeit war beeindruckend. Sogar wenn er schlief, war dies festzustellen. Sehr viel mehr noch, wenn er wach war, doch an den Moment, als er ihr an der Quelle völlig nackt gegenüberstand, wollte sie sich jetzt nur ungern erinnern.
    „Und doch“, sagte Kira in ihre Gedanken hinein. „In einem unterscheidet er sich sehr von den übrigen Männern: Er ist ein Dummkopf und hat sich ohne Weiteres von dir in die Fallgrube locken lassen.“
    „Da hast du recht“, gab Rodena zu. „Für einen Krieger ist er reichlich einfältig. Er hat zwar einen starken Körper, doch sein Kopf ist schwach und sein Verstand klein wie eine Nuss.“
    Das war nun reichlich übertrieben, aber Rodena musste sich Luft machen, schon um die verwirrenden, peinlichen Gedanken loszuwerden. Kira lächelte mit undeutbarer Miene vor sich hin, setzte einen Topf auf den Dreibein über dem Feuer und summte eine leise Melodie.
    Rodenas Mutter war schon fast vierzig, und ihr langes, dunkles Haar wurde an den Schläfen
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