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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers
Autoren: Megan McFadden
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grau, doch ihr Gesicht mit der geraden Nase und den dunkelbraunen, von hohen Brauen überwölbten Augen war immer noch glatt und schön. Rodena hatte ihren verstorbenen Vater niemals kennengelernt, doch Kira hatte ihr erzählt, er sei ein stattlicher und edler Mann gewesen, der im Kampf sein Leben gelassen hatte. Seinen Namen jedoch hatte sie ihrer Tochter nicht verraten wollen.
    „Wie schade, dass dieser Wikinger nicht lange leben wird“, meinte Kira unvermittelt.
    „Weshalb sollte er nicht lange leben?“
    Kira streute Gerstenkörner in den Topf und gab Wasser hinzu.
    „Weil ein Krieger ohne Verstand recht bald den Tod findet.“
    Düster starrte Rodena vor sich hin, und sie versuchte sich an die Bilder zu erinnern, die in der Nacht auf sie eingestürmt waren. Sie hatte die Flucht des rotbärtigen Wikingers gesehen, aber auch blutige Kämpfe waren vor ihren Augen vorübergeeilt. Sie hatte Thore, den Wikinger, erblickt, seine Männer hatten ihn jubelnd umringt, ihn auf ihre runden Schilde gehoben und als Sieger den Strand entlanggetragen. Doch es hatte auch andere Bilder gegeben, die sie erschreckt hatten. Da lag der Wikinger Thore wie tot auf einem kahlen Fels, und über ihm kreisten die schwarzen Vögel der Morrigan.
    „Gegen der Willen der Göttin sind wir machtlos“, murmelte Rodena nachdenklich, und sie wünschte sich wieder einmal sehnlichst, von diesen grausamen Träumen verschont zu werden. Viel einfacher war es, die Weissagung der Göttin aus der Quelle zu erlauschen, wie ihre Mutter es ihr beigebracht hatte. Man konnte es tun, wann immer man dazu Anlass hatte, und anders als die Bilder waren die leisen Reden der Göttin niemals erschreckend, selbst dann nicht, wenn sie vor Gefahren warnte.
    Am Nachmittag ließ der Regen nach, und die Sonne brach durch die Wolkendecke. Wo ihre Strahlen durch das dichte Dach des Waldes drangen, ließen sie das grüne Laub leuchten, und von Blättern und Stämmen rollten vielfarbig glitzernde Tropfen hinab. Die beiden Frauen liefen hinaus, um die Falle wieder mit Ästen und Moos abzudecken. Der Schutz der Quellgöttin war ihnen zwar gewiss, aber wie es sich erwiesen hatte, konnten zusätzliche Vorkehrungen nicht schaden. Die Zeiten waren unruhig und voller Gefahren.
    Sie hatten die Arbeit noch nicht beendet, da vernahmen sie Schritte und keuchenden Atem. Sie hielten inne und lauschten.
    „Ein Mann“, flüsterte Kira. „Er ist erschöpft und zieht ein Bein nach.“
    Rodena spürte, dass ihr Herz unruhig zu schlagen begann. Die Schlacht musste längst vorüber sein. War es ein Verwundeter, der sich zu ihnen hinschleppte? War es am Ende …
    Doch es war Endo, der Bauer. Mit letzter Kraft schlug er sich durch das dichte Unterholz, erreichte taumelnd die Quelle und sank am Beckenrand nieder, um gierig das frische Wasser zu trinken.
    „Bertrada sendet mich. Sie braucht euren Beistand.“
    Die Druidinnen hatten sich vorsichtshalber hinter den dicken Eichenstämmen verborgen, jetzt trat Rodena hervor, verblüfft, dass gerade Endo es war, der um ihre Hilfe bat.
    „Sie hat Wehen?“
    „Seit der letzten Nacht schon. Sie ist völlig ermattet, aber das Kind will immer noch nicht kommen.“
    Endos blasses Gesicht war von dem gerade überstandenen Fieber gezeichnet, zugleich standen jedoch Trotz und Scham darin.
    „Ich bin nur hier, weil Bertrada mich flehentlich darum gebeten hat und ich um ihr Leben fürchte“, sagte er. „Was ich von euch beiden halte, das wisst ihr.“
    Rodena presste wütend die Lippen zusammen. Oh ja, sie wusste recht gut, wie sehr Endo sie und ihre Mutter hasste. Teufelsgezücht hatte er sie genannt. Ausgeburten der Hölle. Bevor er Bertrada zur Frau nahm, war er häufig mit seinen Kumpanen durch den Wald gestreift, um die beiden Frauen mit Steinwürfen und brennenden Ästen aus der Gegend zu vertreiben.
    „Weshalb hast du nicht die Frauen herbeigeholt, die sonst immer bei Kindsgeburten helfen?“, fragte sie streng .
    „Es ist keine zu finden. Die Wikinger haben den ganzen Tag über wilde Kämpfe gegeneinander geführt, und alle Leute sind geflohen. Einige verbergen sich im Kloster, andere sind in den Wald gelaufen, wieder andere sind unter ihre Fischerboote gekrochen ...“
    Anders als ihre Tochter war Kira voller Mitleid, denn sie hatte gelernt, mit der Missachtung der Menschen zu leben und sie zu ertragen. „Du hättest gleich zu uns kommen sollen, Endo“, sagte sie freundlich. „Bertrada ist eine kluge Frau, und sie vertraut auf uns. Hat
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