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In den Fesseln des Wikingers

In den Fesseln des Wikingers

Titel: In den Fesseln des Wikingers
Autoren: Megan McFadden
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klang ruhig und seltsam tonlos. Thore erschauerte, denn was er gehört hatte, konnte sie sich kaum ausgedacht haben. Woher wusste sie davon, dass er gegen Sigurd kämpfen wollte?
    „Dein Gegner ist stark, und seine Männer sind zahlreich, Thore“, fuhr sie fort. „Ich sehe die Morrigan in der Gestalt einer Rabin über die Wiese kreisen. Doch bald wird sie zur Küste hinüberfliegen und die Schar der Männer begleiten, die in ihren Booten davonrudern.“
    „Die Morrigan?“, murmelte er.
    „Sie ist die Herrin aller Krieger und erscheint überall dort, wo ein Kampf entbrannt ist, denn sie liebt den Rausch der Schlacht.“
    Er war in England und Irland auf keltische Druiden gestoßen und hatte einiges über ihre Götter erfahren, die den Göttern der Wikinger nicht unähnlich waren. Also waren diese beiden Weiber Druidinnen. Konnten sie am Ende die Zukunft vorhersagen?
    „Und wer ist der Anführer der Männer, die aufs Meer hinausrudern?“, wollte er wissen.
    „Ich kenne seinen Namen nicht“, sagte die Druidin. „Ich sehe seinen roten Bart im Seewind wehen, sein Kopfhaar ist blond, und seine Arme sind bemalt. Dieser Mann wird fliehen und das Land der Franken für eine Weile verlassen müssen, denn er wurde besiegt.“
    Es klang großartig – wenn sie die Wahrheit sagte, würde er Sigurd eine böse Niederlage bereiten und ihn ins Meer zurückwerfen. Wenn sie ihn allerdings belog …
    „Woher weißt du das alles?“
    „Ich sehe es“, gab sie ruhig zurück.
    „Du kannst kommende Geschehnisse voraussagen?“
    „Rede nicht so viel, Wikinger. Es wäre klüger, noch ein Weilchen zu schlafen, damit du morgen bei Kräften bist. Und hüte dich in Zukunft, das Heiligtum einer Druidin zu entweihen!“
    „Danke für den Rat, Hexe!“
    Er machte einige zornige Versuche, aus der Grube hinauszuklettern, doch die beiden Frauen waren auf der Hut, so dass er sich schließlich mit schmerzenden Fingern und brummendem Schädel in sein Schicksal ergab. Böse Flüche murmelnd hockte er in einer Ecke, sein Körper war mit Lehm und Erde verschmiert, seine Laune rabenschwarz. Ungeduldig starrte er hinauf zum mondlosen Himmel, sah die Sterne blasser werden und fieberte dem Morgenschein entgegen. Selten war ihm eine Nacht so endlos lang erschienen. Irgendwann lehnte er den Rücken gegen die Wand der Grube, sein Körper erschlaffte, die Augenlider sanken hinab.
    Ein dumpfer Aufschlag, dem eine Art Erdbeben folgte, riss ihn aus dem Schlummer, und er konnte sich gerade noch rechtzeitig vor dem rollenden Stein in Sicherheit bringen.
    Das erste Morgenlicht schimmerte durch die Äste, kleine Vögel pfiffen und flöteten, dicht vor ihm lag ein kniehoher Felsblock, den die Weiber zu ihm die die Grube geworfen hatten.
    Er begriff, dass es kein Anschlag auf sein Leben gewesen war, der Stein sollte ihm beim Hinausklettern helfen. Trotzdem hätte er einige heftige Beulen davontragen können, wäre er nicht geistesgegenwärtig beiseite gesprungen.
    Er stieg auf den Stein und zog sich fast mühelos aus der Grube heraus – oben war niemand zu sehen, nur seine Kleider lagen neben dem Quellbecken. Er wusch sich den Schmutz vom Körper und spähte dabei in alle Richtungen, denn er war sich sicher, dass die verfluchten Weiber ihn beobachteten. Dann legte er seine Kleider an, zog den Gürtel fest und spuckte verächtlich in das klare Wasser der Quelle, bevor er davonging. Wie angekündigt, hatten sie seinen Dolch behalten.
    ***
    Nur Rodena hatte die Fähigkeit, Kommendes vorherzusehen – Kira hatte sie nie besessen. Sie wusste zwar Sirona, die Göttin der Quelle, zu befragen, doch das Murmeln des Wassers war nicht immer leicht zu deuten, und oftmals hatte Kira sich geirrt. Doch sie hatte frühzeitig begriffen, dass die seltsamen Reden ihrer kleinen Tochter Weissagungen waren, denn auch Kiras Vater war ein Seher gewesen. Die Bilder kamen unversehens über Rodena, gleich zu welcher Tageszeit. Sie fluteten an ihr vorüber, bedrängten sie, ängstigten sie, und zu Anfang hatte das Mädchen Mühe gehabt, sich an die vielen Traumgesichter zu erinnern und sie zu deuten. Sie fühlte sich erschöpft, und der Kopf schwindelte ihr; wenn das Licht der Göttin sie wieder verließ, dann hockte sie in einer Ecke der Behausung, wickelte sich in ein Tuch und wartete, bis das Zittern in ihrem Inneren nachließ und ihre Kräfte zurückkehrten. Rodena empfand diese Gabe oft als eine schwere Last und beklagte sich darüber, dass die Göttin gerade sie zu ihrer Seherin
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