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0615 - Der träumende Dämon

0615 - Der träumende Dämon

Titel: 0615 - Der träumende Dämon
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Professor Zamorra stoppte den Cadillac vor der mostache'schen Seenplatte, schaltete Scheibenwischer, Licht und Motor ab und warf einen anklagenden Blick zum Regenhimmel. Novembergrau. Den ganzen Tag über hatte Mütterchen Sonne noch keine Sekunde lang eine Chance gehabt, die Wolken auch nur mit einem einzigen winzigen Strahl zu durchdringen. Strahl? Zamorra wäre schon über ein Strählchen froh gewesen. Seit Tagen stapelte Sankt Petrus die Regenwolken über dem Loire-Tal aufeinander, und kalt und windig war's auch, nur schaffte der Wind es nicht, diese Wolkenbänke auch mal woanders hin zu pusten. »Verdammt, dreitausend Kilometer weiter südlich vertrocknet alles und vernichtet die sich ausbreitende Wüste immer mehr Lebensraum, und hier werden wir vom Regenwasser ersäuft!« knurrte er und hatte schon überlegt, einen Taucheranzug zu beschaffen, damit er wenigstens vom Wohngebäude seines Châteaus bis zur Garage kam - aber vielleicht war es besser, gleich ein U-Boot zu kaufen, wenn das so weiterging…
    Europas Wetter gefiel ihm von Jahr zu Jahr weniger.
    Winter mit zu wenig Schnee, der samt Kälte außerdem regelmäßig viel zu spät einsetzte, dafür aber neun Monate naßkaltes Schmuddelwetter und nur ein paar Wochen Sommer, der dann jedoch gleich mit Urgewalt kam und unerträgliche Hitze auf das Land niederbrennen ließ. Mit der Hitze kam er zurecht, mit dem Winter konnte er sich auch arrangieren, aber diese ausgedehnten Nässeperioden ließen ihn schaudern. Er hatte den Eindruck, vor zwanzig Jahren sei das Wetter noch ausgeglichener gewesen.
    Was sicher nur ein subjektiver Eindruck war; übers Wetter wurde schließlich immer und von jedem geschimpft, nicht nur von ihm, und selbst wenn's gerade mal zwei Tage sonnig war, stöhnten dieselben Leute, die gerade noch den Regen verflucht hatten, schon über die Hitze.
    Zamorras anklagender Blick änderte nichts. Dieser Dauerregen ließ sich nicht beeindrucken und rauschte mit der Sturheit allemannischer Beamten weiter vom Himmel herab. Zamorra seufzte, öffnete die Tür des heckflossenbewehrten und chromblitzenden '59er Cabrios und stieg aus.
    So schnell er auch war, das Wasser war schneller. Er hatte mit der Fahrertür zur Wetterseite geparkt und bekam eine zwar kleine, trotzdem feuchte Ladung auf den Sitz und in den Fußraum. Verärgert knallte er die Tür zu und hoffte, daß wenigstens das Verdeck dicht blieb.
    »Nicole bringt mich um«, murmelte er.
    Aber schließlich war sie es gewesen, die gesagt hatte: »Hol ihn zurück, ehe er Unfug anstellt!« Und so hatte Zamorra sich in das Mistwetter gestürzt und war losgefahren.
    Der Oldtimer war Nicole Duvals ganzer Stolz; sie hegte und pflegte ihn hingebungsvoll. Nur hatte Zamorra den Wagen nehmen müssen, weil sein BMW mit einem Elektronikdefekt in der Werkstatt in Lyon stand. Mit dem komplizierten Gewusel aus Chips und Kabeln konnte der Dorfschmied nichts anfangen, der sonst nebenher jeden Defekt jedes Autos innerhalb weniger Stunden reparierte. Aber daß die funkgesteuerte Zentralverriegelung den Fahrer jäh aussperrte und sich nicht mehr betätigen ließ, hatte ihm nur noch ein schallendes Gelächter abgerungen. »Professor, warum fährst du nicht 'nen Döschewo, da reichen Hammer, Zange und Schraubenzieher, um alles zu reparieren, was überhaupt kaputtgehen kann! Und aussperren kann die Elektronik dich auch nicht, weil es keine gibt.«
    »Mann, Charles, der 2CV ist 'n Studentenauto! Ich bin kein Student, sondern Professor!« hatte Zamorra gekontert.
    »Ja und? Als du Student warst, hast du so ’n Ding doch mit Begeisterung gefahren. Hat schließlich auch vier Räder und ’n Lenkrad.«
    »Das hat ein Go-Kart auch«, seufzte Zamorra.
    »Noch besser! Da brauchste nicht mal Öl und Zündkerzen zu wechseln, und Benzin verbraucht's auch nicht. Nicht mal ’n Pferd ist so umweltfreundlich!«
    Damit waren immerhin Zamorras Vorfahren geritten, denen die ganzen Ländereien hier gehört hatten. Freundlicherweise hatte der letzte von ihnen sie ihm samt Château Montagne als Erbe hinterlassen, als er das Zeitliche segnete. Mit dem jährlichen Erlös aus der Verpachtung der Ländereien konnte Zamorra immerhin seine zeit- und geldverschlingende Dämonenjagd finanzieren, die ihm der freundliche Erblasser unfreundlicherweise aufs Auge gedrückt hatte, indem er Zamorra auch noch das sagenumwobene Amulett hinterließ, das der Zauberer Merlin einst aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen hatte. Was sonst noch so zum
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