Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesengel (Gesamtausgabe)

Todesengel (Gesamtausgabe)

Titel: Todesengel (Gesamtausgabe)
Autoren: H.L. WEEN
Vom Netzwerk:
1.
    Die Sogwirkung des Hurrikans war verheerend. Bäume und Sträucher, Schafe und Kühe verschwanden in dem Trichter, der einem Staubsauger glich und er war mitten drin in diesem Inferno, wehrlos den Urgewalten ausgesetzt, die Anfang und Ende jeder Existenz kennzeichnen.
    Wenn es jetzt wirklich dem Nirwana entgegen ging, konnte er nur hoffen, dass die Prophezeiungen ewigen Lebens jeder Grundlage entbehrten und es sich bei den Furien, die auf ihn zuflogen, nicht um die apokalyptischen Reiter handelte, aber er befürchtete wohl zu Recht, nicht so leicht davonzukommen, weil seine Sünden nicht dazu angetan waren, im Rahmen eines kleinen Deals zwischen Gott und ihm getilgt zu werden. Hölle, Hölle und nochmals Hölle, das war es, was ihn erwartete und wie auf Stichwort flogen die ersten Zeugen der Anklage an ihm vorbei zum Tribunal, bei dem es um seinen Kopf gehen würde. Er erkannte seine Schwester Irmgard, die er bis aufs Blut gereizt hatte und die ihn jetzt hämisch angrinste, einen senilen Pauker, der von ihm in den Wahnsinn getrieben worden war und dieses undankbare Luder, das ihn mit dem luftigen Minikleidchen so provoziert hatte…
    Fetzen seines Daseins huschten an ihm vorbei, flüchtige Bilder von Sieg und Niederlage, Liebe und Hass, ein Schrei im Wald, dazu ein Mädchengesicht, ohnmächtig und zur teuflischen Fratze verzerrt und schließlich dieses Lokal, nahe den Landungsbrücken, das ihm der Portier seines Hotels, als Gegenleistung für ein üppiges Trinkgeld, empfohlen hatte.
    Die sündige Variante des Cafés Keese, seit der Eröffnung vor sechs Monaten der letzte Schrei des Hamburger Nachtlebens und bestens geeignet, einen Geschäftsreisenden wie ihn auf andere Gedanken zu bringen. Noch einmal trudelte er auf seiner Zeitreise zurück in die Vergangenheit, sah den Spielkameraden vor sich, den er aus Jux und Tollerei fast im Swimmingpool ertränkt hätte, doch dann befand er sich wieder in der Gegenwart, im rauchgeschwängerten Lokal nahe der Davidswache, in dem gedämpftes Licht und der Duft schweren Parfüms eine Atmosphäre sexuellen Verlangens herbeizauberten, die ihn sofort gefangen nahm. Er hatte schon eine Weile das Feld sondiert und sich nebenbei über die Schwimmversuche einer vorwitzigen Stubenfliege in seinem Whiskyglas amüsiert, als ihn ein seit geraumer Zeit heimlich beäugtes Fabelwesen mit endlos langen Beinen unverhofft ansprach:
    „Darf ich bitten, mein Herr?“
    „Sie, Sie wollen tatsächlich…?“, stammelte er und die Unbekannte wisperte:„Aber gewiss doch, oder wollen Sie nicht tanzen?“
    „O doch!“, versicherte er eilig und versuchte vergeblich, sich seine Verblüffung nicht anmerken zu lassen.
    „Aber heute noch!“, drängte ihn die langmähnige Blondine im lila Seidenkleid und mit den gleichfarbigen, bis zu den Ellenbogen reichenden Handschuhen, worauf er sich ächzend aus dem Sessel hoch wuchtete, tapfer das süffisante Lächeln der Schönen ignorierte und sich bei Foxtrott und Tango krampfhaft bemühte, ihr nicht auf die zarten Füße zu treten.
    Plötzlich löste sie sich von ihm und er befürchtete schon, seine Chance vertan zu haben, als sie ihn unverblümt fragte, ob er die Nacht mit ihr verbringen wolle.
    „Die- die Nacht?“, stotterte er und die Grazie sah ihn voller Mitleid an:
    „Du bist aber ein Dummerchen! Wegen der Liebe sind wir doch hier! Oder willst du dir nur Appetit für zuhause holen?“ Er hatte in seinem Leben schon viel erlebt und auch Erfahrungen mit Prostituierten gesammelt, aber denen hatte er ihren Beruf immer angesehen, während seine Tanzpartnerin aus gutbürgerlichen Verhältnissen zu stammen schien und auf jedem festlichen Ball eine gute Figur gemacht hätte. „Und?“, hakte die geheimnisvolle Fremde nach und er beeilte sich, einzulenken:„Natürlich will ich die Nacht mit Ihnen, ä, mit dir verbringen! Irgendwie bin ich ja froh, dass du die Initiative ergriffen hast…“
    „Dann ist ja alles in Ordnung!“, entgegnete sie, umschlang ihn wieder und er träumte zu Melodien wie Moon River vor sich hin, bis die junge Frau um eine kleine Pause bat und ihren Getränkewunsch äußerte. „Ich hätte gern ein Glas Champagner!“, wisperte sie, worauf er die Herzensdame zu seinem Tisch geleitete, beim Ober eine Flasche aus bestem Hause orderte und sich wieder seiner Tanzpartnerin zuwandte.
    „Wie heißt du denn?“, wollte er von ihr wissen und sie brachte ihn mit der dahin gehauchten Antwort: „Cindy, nenn mich einfach Cindy!“ endgültig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher