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In Den Armen Des Schicksals

In Den Armen Des Schicksals

Titel: In Den Armen Des Schicksals
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entgegengesetzte Richtung. Der Hund sprang bellend um ihn herum und sauste dann zum Turm zurück. Sein lautes Bellen drang durch die Nacht.
    Iain drehte sich um und starrte zum Turm. Er hatte jeden Zentimeter abgesucht – den großen Raum zu ebener Erde, er hatte sich sogar die bröckelnden Stufen hinaufgetastet, nur um ganz sicher sein zu können, dass er nichts übersehen hatte. Der Turm war ebenso verlassen und leer gewesen wie sein Herz.
    Hollyhock verschwand im Turminnern. Als Junge war es Iain verboten gewesen, diesen zweiten Turm zu betreten. Bis vor Kurzem noch war die schwere Holztür mit einem großen Vorhängeschloss gesichert gewesen, um neugierige Eindringlinge zu entmutigen. Iain fiel ein, dass sein Wildhüter ihm vor Monaten berichtet hatte, das alte Schloss auf dem Boden gefunden zu haben, verrostet und abgefallen. Iain hatte ihn damit beauftragt, ein neues anzubringen. Doch vorhin hatte er kein neues Schloss gesehen …
    Er hatte den Turm nie betreten dürfen. Jetzt versuchte er sich verzweifelt zu erinnern, ob es noch einen anderen Grund gegeben hatte als den, dass der Turm baufällig war. Etwas nagte an ihm, doch er bekam es nicht zu fassen.
    Er ging Hollyhock nach.
    Wir ersuchen höflichst um Ihre Erlaubnis für archäologische Ausgrabungen .
    Während er auf den Turm zuwankte, meldete sich die Stimme in seiner Erinnerung. Sein Kopf war wie in Watte gepackt, doch er wusste die Worte sofort zuzuordnen. Letztes Jahr hatte ein junger Professor der Universität Edinburgh unbedingt Ausgrabungen auf Ceo Castle vornehmen wollen. Doch Iain war nicht überzeugt gewesen, dass alle notwendigen Aspekte und Vorkehrungen beachtet werden würden. Wer immer das Schloss als archäologisches Projekt übernehmen wollte, sollte die Geschichte als Gesamtes im Auge behalten, nicht nur Einzelteile davon. Und jener junge Mann wollte nur dem Gerücht nachgehen, das er aufgeschnappt hatte, dass es irgendwo auf dem Areal von Ceo Castle einen der berüchtigten Flaschenkerker geben solle.
    In diesem Turm ist nichts, auf das unsere Familie stolz sein könnte. Halte ihn verschlossen und halte auch jene fern, die sich nur an unserer Geschichte gütlich tun wollen.
    Diese zweite Stimme gehörte zu Malcolm Ross. Iain war damals acht gewesen, und sein Vater hatte ihn Schritt für Schritt auf die zukünftigen Pflichten eingeschworen. Schon früh hatte Lord Ross damit begonnen, seinen Sohn einzuweisen, vielleicht aus der Angst heraus, dass ihm nicht viel Zeit dafür bleiben würde.
    „Billie …“ Iain beschleunigte seine Schritte, konzentrierte sich darauf, nicht zu stürzen. Hollyhocks Bellen kam aus dem Innern des Turms.
    Iain war im Turm gewesen und hatte Billies Namen gerufen. Er hatte nichts gesehen.
    Er stolperte weiter.
    Das Portal stand weit offen. Es war auch nicht ganz geschlossen gewesen, als er zum ersten Mal dort nachgeschaut hatte. Beim ersten Mal hatte er nicht darauf geachtet, doch jetzt wurde ihm bewusst, wie seltsam es war. Ebenso seltsam war es, dass sein Wildhüter das Anbringen eines neuen Schlosses noch nicht erledigt hatte.
    „Billie …“ Er schob sich durch den Eingang. Der Raum war stockdunkel, obwohl die Tür offen stand. „Billie!“
    Hollyhock bellte in einer Ecke. Iain stand reglos da. „Still!“ Wenigstens dieses eine Mal gehorchte der Hund heute Abend.
    Iain lauschte angestrengt. Er hörte das Heulen des Windes, aber sonst nichts. Nichts …
    Schluchzen.
    Und zum zweiten Mal an diesem Abend fragte er sich, ob er den Verstand bereits verloren hatte. Seine Beine wollten ihn nicht mehr tragen. Er ging in die Knie und suchte den Boden mit den Händen ab. „Billie …“ Ihr Name stieg kraftlos aus seiner Kehle auf. Wenn sie sich irgendwo unter ihm befand, würde sie ihn nicht hören können. Er entdeckte, dass unter der dicken Schicht Erde zumindest ein Teil des Bodens mit Planken abgedeckt war. Er riss und ruckte an ihnen, versuchte herauszufinden, ob wenigstens eine davon locker war. Er kroch im Kreis, Zentimeter um Zentimeter, zwang sich verzweifelt, bei Bewusstsein zu bleiben und die letzte Kraft zusammenzuklauben, um weiterzumachen.
    Frustration paarte sich mit Erschöpfung und quälendem Schmerz. Hier war nichts. Absolut nichts. Er schlug mit der Faust auf die Planken.
    Ein hohles Echo erklang.
    Es kostete wertvolle Minuten, um die Erde mit den Händen wegzukratzen. Sie musste vor Kurzem erst bewegt worden sein, sie war lange nicht so festgetreten wie auf dem restlichen Boden und ließ sich
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