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Die Braut des Shawnee-Kriegers

Die Braut des Shawnee-Kriegers

Titel: Die Braut des Shawnee-Kriegers
Autoren: Elizabeth Lane
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Prolog
     
    Im Tal des Ohio, 1747
     
    Seth hetzte durch das Unterholz. Panische Angst beflügelte die Kräfte des Elfjährigen. Dornen rissen an seiner abgetragenen Hose, und seine Füße verfingen sich in Wurzeln und Ranken. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals.
    Das Schweigen des Waldes hinter ihm war fast noch schrecklicher, als es die Schreie seines Vaters gewesen waren. Pa war inzwischen gewiss tot – wenn er Glück hatte. Und wenn nicht, so gab es dennoch keine Möglichkeit, ihm zu helfen.
    Der blutrünstige Bär war wie aus dem Boden gewachsen aufgetaucht und hatte sich auf Benjamin Johnson gestürzt, der am Boden kauerte, um seine Biberfalle zu spannen. Seth hatte Stöcke und Steine auf den Bären geschleudert und sich die Seele aus dem Leib geschrien, um die Bestie abzulenken, aber es hatte nichts genützt. Schließlich war ihm keine andere Wahl geblieben, als um sein Leben zu rennen.
    War der Bär ihm jetzt auf den Fersen? Wenn er stehen blieb, um zu horchen, würde er dann hören, wie das Monster durch das Unterholz brach, während es mit seiner schwarzen Nase seine Spur verfolgte? Doch Seth durfte nicht riskieren, stehen zu bleiben. Ein gereizter Bär konnte schneller laufen als irgendein Mensch.
    Mit seinen nackten Füßen, deren Sohlen widerstandsfähig wie gegerbtes Leder waren, sprang er in einen flachen Bach. Er watete ein Stück flussaufwärts und betete, dass das Wasser seine Spuren davontrug. Seine Lungen brannten, und sein Atem kam in keuchenden Stößen, während er durch das eisige Wasser hastete.
    Seth unterdrückte einen Schrei, als sein linker Fuß von einem bemoosten Stein abglitt und umknickte. Ein heißer Schmerz schoss durch sein Bein – noch heftiger als nach dem Schlag, den Pa ihm gestern Abend mit seinem Gürtel versetzt hatte, als Seth aus Versehen ein Krug Whiskey in den Fluss gefallen war. Einen Vorteil hatte das Ganze vielleicht: Pa würde ihn nie wieder schlagen.
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht taumelte Seth aus dem Wasser, brach an der Uferböschung in die Knie und rollte sich wie ein Tier zusammen. Er konnte den Bären weder sehen noch hören. Dennoch spürte er ein Prickeln im Nacken, ein sicheres Zeichen, dass Gefahr im Verzug war.
    Hilflos drückte er sich noch tiefer in die hohe Böschung. "Pa!" wollte er rufen. "Ich bin hier, Pa. Komm und hilf mir!" Aber er wusste, dass es keinen Sinn hatte.
    Er war mutterseelenallein in einer endlosen Wildnis. Schlimmer noch, dies war Shawnee-Gebiet, wie sein Vater ihm erklärt hatte. Die Shawnee-Indianer waren Wilde, die einem Bleichgesicht die Eingeweide aus dem Körper rissen und ihn bei lebendigem Leibe rösteten. Da war ja der Bär noch besser. Der würde ihn wenigstens schnell töten.
    So wie er Pa getötet hatte.
    Das Schweigen rings umher lastete wie ein Gewicht auf dem Jungen. Auch die Vögel waren verstummt, und selbst das Summen der Insekten war nicht mehr zu hören. Schweißtropfen rollten Seth in den Nacken und ließen ihn frösteln.
    Plötzlich vernahm er ein Rascheln hinter sich. Dann sprang etwas vom höher gelegenen Ufer herab und landete fast auf ihm. Für den Bruchteil einer Sekunde erblickte Seth nackte braune Beine und bestickte Mokassins, bevor eine raue, stinkende Decke über ihn geworfen wurde, so dass er nichts mehr sehen und kaum noch atmen konnte. Kraftvolle Arme hoben ihn hoch. In panischer Angst schlug Seth um sich und stieß jeden einzelnen Fluch aus, den er je von seinem Pa gehört hatte. "Lass mich los, du dreckiger Wilder!" schrie er. "Lass mich los, oder, bei Gott, ich ziehe dir das Fell über die Ohren!"
    Plötzlich erklang ein Geräusch, das Seth bis ins Mark erschauern ließ.
    Es war ein kehliges Lachen.

1. Kapitel
     
    Fort Pitt, April 1761
     
    "Schluss mit diesen Albernheiten, Clarissa Rogers!" Die scharfe Frauenstimme schnitt durch die kühle Dämmerung. "Es wird bald dunkel. Wir müssen jetzt zum Fort zurück."
    "Ich komme gleich. Geh schon mal vor, Tante Margaret!" Clarissa zog geschickt an der langen Schnur und ließ den Drachen am wolkenverhangenen Himmel tanzen. Ein Sturm war im Anzug – ideales Wetter, um einen Drachen steigen zu lassen. Noch nie im Leben hatte Clarissa sich so wohl und frei gefühlt.
    "Ihr solltet besser tun, was sie sagt." Der Leutnant, einer der drei jungen Offiziere in ihrer Begleitung, zog besorgt die Stirn kraus. "Schaut Euch nur den Himmel an. Jeden Augenblick fängt es an zu regnen."
    "Ihr könnt ja zurückgehen, wenn Ihr wollt." Clarissa warf den Kopf in den Nacken,
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