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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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Kopf und sah sich um. Nachdenklich ließ sie ihre Blicke über all die vertrauten Gegenstände schweifen. In ihrer Wohnung fühlte sie sich sicher. Die Sonne zeichnete Streifen auf den abgetretenen Orientteppich. Ihre Bücher nahmen eine ganze Wand ein. Am Fenster Blumenkästen mit Geranien. Wie oft hatte sie sich schon auf Reisen begeben, ohne zu ahnen, was ihr bevorstand. Sie war nicht einmal sicher gewesen, ob sie all das, was ihr lieb war, je wiedersehen würde. Wie um sich selber Mut zu machen, sagte sie laut: »Trotzdem bin ich noch am Leben. Mich gibt es immer noch. Daran ist nic ht zu rütteln. Sonderbarerweise.«
    Man mußte zuversichtlich sein, sagte sie sich. Einem Impuls gehorchend, legte sie die Prospekte und Notizen beiseite, trat an ihren Schreibtisch, zog eine Schublade auf und nahm einen Stapel Briefumschläge mit bunten exotischen Markern heraus. Vielleicht habe ich die Briefe für einen solchen Augenblick aufbewahrt, dachte sie. Natürlich konnte sie sie schon fast auswendig. Da war der Brief, den ihr lieber Freund John Sebastian Farrell aus Afrika ihr vor kurzem erst geschrieben hatte. Dann eine Geburtsanzeige von Colin und Sabbahat aus der Türkei, ein Feriengruß vom König von Zabya mit einem Gruß seines Sohnes Hafez. Auch die Weihnachtskarten von Robin und Court Bourke-Jones, von den Trendafilows und von Magda und Sir Hubert fielen ihr jetzt wieder in die Hände. Alles Leute, die sie auf ihren abenteuerlichen Reisen kennengelernt hatte.
    Ganz zuunterst eine ziemlich schmutzige, zerknitterte Ansichtskarte vom letzten Jahr an Mrs.
    Emily Pollifax, New Brunswick/New Yersey, Vereinigte Staaten von Amerika adressiert.
    Keine Postleitzahl, keine Straße, keine Hausnummer.
    Bei der Post hatte man offenbar keine Mühe gescheut, sie trotzdem ausfindig zu machen, um ihr die Karte zustellen zu können. Die Ansichtskarte zeigte ein Schloß. Auf der Rückenseite der Text: Sie sind immer bei mir, Amerikanski. Ich werde Sie nie vergessen. Tsanko. Gerührt betrachtete sie die Karte. Was für ein erfülltes Leben! Trotzdem hatte es einmal eine Zeit gegeben, da war ihr das Leben so leer und sinnlos erschienen, daß sie drauf und dran gewesen war, es wegzuwerfen. Seitdem hatte sie so viel erlebt und so manchen neuen Freund gewonnen...
    Nach einem Blick auf die Uhr verstaute sie die Briefe und Karten wieder in der
    Schreibtischschublade, nahm ihre Teetasse mit ins Schlafzimmer und zog sich rasch um. In langen Hosen und einer Bluse verließ sie das Haus. In einem Hinterzimmer bei der Polizei legte sie ihren braunen Karategürtel an und verneigte sich ehrerbietig vor dem pensionierten Oberleutnant Lorvale Brown, bevor der Unterricht begann. Sie zählte bereits zu den Fortgeschrittenen. Schrille Schreie durchschnitten die Luft; denn Lorvale war der Ansicht, daß diese Schreie, bei denen einem vor Entsetzen das Blut in den Adern stockte, genauso zu dieser Selbstverteidigungstechnik gehörten wie die Handkantenschläge.
    Am nächsten Tag rief Bishop an und bat sie, der Liste der Reiseteilnehmer noch zwei weitere Namen hinzuzufügen. Iris Damson aus Oklahoma und Joseph P. Forbes aus Illinois.
    »Ist das der andere Agent?« erkundigte sie sich ganz spontan. »Oder ist die Frau eine Agentin?«
    Bishop zog sich aus der Affäre, indem er ihr zur Antwort gab: »Allem Anschein nach regnet es heute in Hongkong.«
    »Dann möchte ich Sie etwas anderes fragen. Inzwischen habe ich ja Zeit gehabt, die Liste, die Sie mir mitgegeben haben, ganz genau durchzugehen. Warum um alles in der Welt soll ich vier Pfund Schokolade, zwei Paar Thermosocken und diese Unmengen von Vitaminpillen und Dörrobst mitnehmen?«
    »Auf diese hinterhältige Weise wollen wir Sie davon abhalten, zu viele Kleider
    mitzunehmen«, erklärte er ihr. »Finden Sie nicht selbst, daß Sie jetzt genug gefragt haben?«
    »Es scheint so«, sagte sie und legte auf.
    Die nächsten neun Tage vergingen damit, daß Mrs. Pollifax ihren Gartenclub instruierte, wie man Geranien goß und pflegte. Auch Fortpflanzung ließ sie nicht aus. Sobald sie das Gefühl hatte, daß der Gartenclub hinreichend unterrichtet war, beschäftigte sie sich mit Landkarten und alten Ausgaben von National Geographie. Sie erstand einen ganz einfachen chinesischen Sprachführer für Touristen und fing an, Pillen gegen Malaria einzunehmen. Sie leistete sich einen groben Strohhut, dessen kühne Krempe der Trägerin Mut abverlangte.
    Sie teilte ihren Kindern und Freunden mit, daß die Abreise
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