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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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kein Agent war, sollte er zumindest einer sein. Er war ein Bild von einem Mann - wie in einem Agentenfilm der Marke Hollywood entstiegen. Auch als Chef einer renommierten Comp uterfirma hätte er sich gut gemacht. Das lag nicht nur an seinem tadellos sitzenden Anzug, auch sein dichter schwarzer Schnurrbart hatte es ihr angetan. Mit seinen dunklen Augen sah er sie fragend, doch überaus freundlich an. Sein Blick war keineswegs ernst, sondern leicht belustigt. Die eine Augenbraue zog er etwas hoch, ebenso das eine Ende seines Schnurrbarts. Dadurch wirkte er unwiderstehlich. Sein charmantes Lächeln verzauberte sie.
    Wenn sie Iris Damson schon nervös gemacht hatte, würde das arme Ding angesichts dieses Mannes völlig aus dem Häuschen geraten. Sie erwiderte sein Lächeln; denn sie hatte ihn sofort ins Herz geschlossen.
    »Inspektion beendet?« erkundigte er sich mit einem Hauch von Ironie.
    Mrs. Pollifax mußte lachen. »Ich habe Sie gründlich unter die Lupe genommen, nicht wahr?
    Wie elegant Sie sind!«
    Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. »Gleich werden Sie mich in einem knallroten Freizeithemd sehen...«
    In dem Sie sicher genauso distinguiert aussehen werden, dachte Mrs. Pollifax, da mache ich mir gar nichts vor.
    »Ich war geschäftlich in Tokio und bin erst heute morgen eingetroffen. Da hatte ich noch keine Zeit, mich umzuziehen. Angesichts des Frühstücksbuffets, auf das man mich
    unmißverständlich hingewiesen hat, werden Sie mich jetzt sicher entschuldigen«, meinte er trocken.
    »Aber selbstverständlich.«
    Gelassen ging er zum Büffet, nahm sich ein Tablett und sah dabei freundlich und unnahbar zugleich aus. Wer fehlt denn jetzt noch? dachte sie. Das ganze kam ihr vor wie der erste Akt eines Theaterstückes, wo einer nach dem andern auf sein Stichwort hin erscheint. Schon näherte sich ein junges Mädchen mit einem rotweißblauen Band am Kragen. Doch dann begann der Vergleich zu hinken; denn das Mädchen bog im letzten Augenblick ab und wandte sich an den älteren Herrn, der hinter ihr saß. Also kein Soloauftritt, korrigierte Mrs.
    Pollifax. Sie wartete ab, was weiter geschehen würde.
    »Gehören Sie auch zu der Chinagruppe?« wandte sich das junge Mädchen gleich darauf an sie und trat an ihren Tisch.
    Sie wies auf das Band an ihrem Kragen. Sie war ein lebhaftes junges Ding mit einem lustigen Gesicht, sehr freundlich und fast etwas lausbubenhaft. Sie hatte eine Brille mit großen runden Gläsern auf der Nase, die ihr Gesicht noch winziger erscheinen ließ. Ihre Oberlippe war etwas kurz geraten und lag nicht auf der Unterlippe auf, so daß der Blick auf ihre gleichmäßigen schneeweißen Zähne fiel. Sie trug eine purpurrote Bluse und einen blaßroten Baumwollrock, was ihr dunkles Haar und ihre frische Gesichtsfarbe noch unterstrich. »Ich heiße Jenny«, stellte sie sich vor, »Jenny Lobsen. Und das ist George Westrum.«
    Mrs. Pollifax stand auf und gab beiden die Hand. »Ich freue mich sehr. Reisen Sie zusammen?«
    Da lachte Jenny und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, nein! Wir sind uns heute früh um sechs in der Hotelhalle zum erstenmal über den Weg gelaufen und haben anhand der
    Abzeichen erkannt, daß wir zur gleichen Reisegruppe gehören. Wahrscheinlich steckt uns noch die Uhrzeit von San Francisco in den Knochen. Also haben wir einen Spaziergang gemacht. Es war fantastisch. Im Park haben wir Leute gesehen, die Tai Chi praktizierten.«
    Mrs. Pollifax reichte Mr. Westrum die Hand. Das so völlig entgegengesetzte Temperament der beiden amüsierte sie. George Westrum hatte zwar eine jungenhafte Kappe auf, ziemlich weit zurückgeschoben, doch er war ein düster dreinblickender Mann, der die Fünfzig garantiert schon überschritten hatte. Er hatte ein wettergegerbtes Gesicht und wirkte sehr verschlossen. Die Lippen hielt er so fest aufeinandergepreßt, als seien sie für immer zugeschnappt, doch als er ihre Hand nahm und ihr in die Augen sah, hätte Mrs. Pollifax schwören können, daß er ihr zugezwinkert hatte.
    »Einfach nur George«, sagte er.
    Augenzwinkern, Baseballmütze, verkniffener Mund - nicht uninteressant, dachte sie. »Mein Name ist Emily Pollifax«, stellte sie sich vor und ging im Geiste Bishops Liste durch. »Bis auf einen sind jetzt alle da,« erklärte sie.
    Genau in diesem Augenblick erhob sich der verdrossen wirkende junge Mann, der ihr gleich aufgefallen war und kam auf sie zugeschlendert. Er sah noch immer aus, als wäre er lieber sonstwo. In seinen alten
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