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in China

in China

Titel: in China
Autoren: Dorothy Gilman
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Lettern beschriftet.
    Bambusbuchstaben. Das Land von Pearl S. Buck, dachte sie träumerisch. Wie oft hatte sie den Film Die gute Erde schon gesehen? Das geheimnisvolle Land, über das sie schon so viel gelesen hatte, das Land der prächtigen Kaiser und Kaiserinnen, der prunkvollen Paläste.
    Marco Polo und die Seidenstraße. All der Glanz verwirrte sie, und sie war unbeschreiblich glücklich.
    Wie es der Zufall wollte, hatte sie im vorigen Winter einen Kursus über die Kunst in China belegt. Sie brachte zwar noch immer die Dynastien de Shang, Tsu, Han, Tang und Sung durcheinander; aber der Lehrer hatte so oft von Schätzen gesprochen, die während Maos Kulturrevolution zerstört worden waren, daß sie sich auch über das moderne China informiert hatte. Begriffe wie der Lange Marsch, der Große Sprung nach vorn, die Hundert Blumen und natürlich die Kulturrevolution waren ihr durchaus geläufig. Zur Zeit der Kulturrevolution zum Beispiel hatte man die Kultur nicht gerade mit Glacéhandschuhen angefaßt. Jetzt sollte sie China mit eigenen Augen sehen. Das Leben war wirklich voller Überraschungen.
    Glücklich wie sie war, gab sie dem Taxifahrer ein viel zu hohes Trinkgeld. In der Abgeschiedenheit ihrer Wohnung warf sie ihren Hut und Mantel auf die Couch. Sie stellte ihre geliebten Geranien so, daß die letzten Sonnenstrahlen auf sie fielen. Dann setzte sie das Teewasser auf. Sie breitete die Broschüren, Landkarten und die Tips für Reisende auf dem Tisch aus, die Bishop ihr mitgegeben hatte, doch ihr größtes Interesse galt seinen Notizen.
    Den Namen Guo Musu mußte sie sich merken. Aus einem Prospekt war ein Stadtplan von Xian ausgeschnitten worden. Ganz in der Nähe des berühmten Trommelturms war eine Stelle angekreuzt. Sie fragte sich, wie ein chinesischer Frisiersalon wohl aussah. Auch eine provisorische Liste der Leute lag bei, die sie begleiten würden.
    Die Zusammensetzung der Reisegruppe stand jedoch noch nicht endgültig fest, hatte ihr Bishop erklärt. Sie stellte Mutmaßungen über die Teilnehmer an.
    Peter Fox / Connecticut
    Malcolm Styles / New York
    Jennifer A. Lobsen / Indiana
    Georg Westrum / Texas
    Dann ging sie sorgsam die Reiseroute durch: von New York nach San Francisco, von San Francisco nach Hongkong, Übernachtung in Hongkong. Anweisung, sich mit den anderen Reisenden der Gruppe am nächsten Morgen vor der Abfahrt des Zuges zum Festland im Frühstücksraum des Hotels zu treffen. Im Anschluß daran galt folgende Reiseroute: Kanton, Xian, Urumchi, Landzu, Innere Mongolei, Datong, Taiwan, Peking. Von Peking nach Tokio und von da aus nach insgesamt vier Wochen nach New York zurück.
    Der Pfefferminztee dampfte in der Teekanne aus Porzellan. Sie legte die handgeschriebenen Notizen beiseite und betrachtete die Fotos in den Broschüren und Prospekten. Sie hätte viel darum gegeben, wenn sie einfach den Telefonhörer abnehmen und Cyrus hätte anrufen können, um ihr Glück mit ihm zu teilen. Zugegeben, das war sehr egoistisch; denn sie wußte ja, daß er genau das schon längst befürchtet hatte. Eigentlich seltsam, dachte sie, daß Cyrus wußte, was nicht einmal ihr Sohn und ihre Tochter wußten: warum sie solche Aufträge annahm und sich immer wieder der größten Gefahren aussetzte. Sie beschloß, China in ihrem nächsten Brief nach Sambia mit keinem Wort zu erwähnen. Davon wollte sie ihm in einem gesonderten Brief berichten, den er bei seiner Rückkehr vorfinden würde. So brauchte er sich noch eine oder zwei Wochen länger keine Sorgen um sie zu machen. Daß er um sie bangen würde, wußte sie genau. Ihm wäre augenblicklich klar, warum sie diese Reise unternahm. Sie konnte ihn auch kaum damit beruhigen, daß es sich um einen Routineauftrag handelte; denn das war nicht der Fall. »So, ein Routineauftrag?« hörte sie ihn förmlich sagen.
    »Dann war Sambia wohl auch ein Routineauftrag, Emily? Wolltest bloß fotografieren und keinen Ärger bekommen. Statt dessen war der Teufel los, wir sind alle beide nur mit knapper Mühe und Not davongekommen und haben einen Mörder geschnappt. Tu mir den Gefallen, meine Liebe, und sprich in meiner Gegenwart nicht von Routine.«
    Natürlich spürte sie auch instinktiv, wie angespannt Bishop die ganze Zeit gewesen war, wenn sie sich das auch noch nicht eingestehen wollte. Allmählich wurde ihr doch etwas unbehaglich zumute. Er weiß viel mehr, als er und Carstairs mir verraten haben, dachte sie.
    Sicher hat er insgeheim gehofft, ich würde ablehnen.
    Sie hob den
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