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In Blut geschrieben

In Blut geschrieben

Titel: In Blut geschrieben
Autoren: Maxime Chattam
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jedoch nicht bewiesen werden. Das rätselhafte Unglück wurde nie aufgeklärt. Einige mutmaßten, eine rechtsextreme Terrorgruppe, protegiert von gewissen Elementen innerhalb der Regierung, habe einen Anschlag verübt, andere sagten, das Chaos, wieder andere, das Böse habe es so gewollt … Gerüchte.
    Die Auswirkungen dieser Katastrophe jedoch sollten an Grauen alles übersteigen, was sich bisher je ereignet hatte. Aus dieser Explosion sollte ein weitaus entsetzlicheres Blutbad entstehen. Ein Monstrum war seinem Kokon entschlüpft, um nach und nach heranzureifen. Die Zerstörung dieses Flugzeugs war nichts Geringeres als ein Schlüssel. Eine Tür zum Unaussprechlichen, zu einem anderen Sein.
    Ein Mörder ohne Leiche. Ein Mörder ohne Namen, ein Schatten, über der Gesellschaft, über den Menschen stehend.
    Unsichtbar.

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    1 National Transportation Safety Board: Behörde zur Untersuchung von Flugzeugunfällen über amerikanischem Territorium und von anderen großen Unfällen mit Autos, Zügen und Schiffen

    2 Federal Aviation Agency: private Luftverkehrsbehörde

Brooklyn, Januar 2002

ERSTER TEIL
    »Es gibt keine dauerhafte Zivilisation
ohne eine Menge angenehmer Lüste.«

    ALDOUS HUXLEY , Schöne neue Welt

1
    Die Hupe des Kombis heulte im Dunkel auf und zerriss die abendliche Stille. Sie wurde fast augenblicklich von einem noch respektloseren, heftigeren und schrilleren Reifenquietschen übertönt.
    Die Scheinwerfer gruben eine tiefe Schneise in die Finsternis. Doch von dem Schatten war keine Spur mehr zu sehen. Er war zu schnell vorbeigehuscht.
    Einige Meter weiter kam ein anderer Wagen mit einer unglaublichen Vollbremsung zum Stehen und äußerte seinen Protest durch ein ohrenbetäubendes Hupkonzert.
    Sie floh, taub gegen diesen Tumult. Gefangen in ihrer Panik, hörte sie nur das heftige Schlagen ihres Herzens.
    … Er ist da! Er kommt! Er ist dicht hinter mir! Gleich streckt er die Hand aus, gleich krallen sich seine Finger in mein Fleisch! Er packt mich, ich spüre es, er ist da!
    Sie rannte um ihr Leben.
    Ihr zierlicher Körper – ein Hauch nur, fast ein Verdacht – hetzte über den Asphalt und stellte seine Nacktheit den blendenden Scheinwerfern der Autos zur Schau, die ihm in diesem Chaos auswichen.
    Ein grässliches Konzert erhob sich am Rande des Parks und wurde von den Mauern der benachbarten Häuser zurückgeworfen, während die Wagen einer nach dem anderen stoppten. Zwei von ihnen stießen zusammen und fügten so der Partitur eine Improvisation von schepperndem Blech hinzu.
    Er kommt näher! Schnell! Schnell! Gleich hat er mich!
    Sie spürte nichts mehr, weder den glühenden Atem, der aus ihrer Brust drang wie ein vulkanischer Geysir, noch das raue Pflaster unter ihren wunden Füßen. Sie lief um ihr Leben und ließ bei jedem Schritt einen blutigen Fußabdruck zurück. Ohne zu zögern oder auch nur zu begreifen, was sie tat, stürzte sie auf eine Gruppe von Büschen zu, durchquerte sie und tauchte auf einer anderen Straße dicht vor einem Lastwagen wieder auf.
    Quietschende Bremsen und Reifen, die eine lange dunkle Gummispur auf dem Asphalt hinterließen. Doch das war noch nicht genug – der Fahrer musste bei dem Manöver heftig das Steuer herumreißen. Der Zwölftonner wurde auf den Seitenstreifen geschleudert, prallte gegen einen geparkten Lieferwagen, riss einen Laternenpfahl um und beendete seine wilde Fahrt auf dem Bürgersteig.
    Lauf. Lauf. Er kommt! Seine Hand ist da, in deinem Rücken, gleich packt sie dich! Lauf.
    Sie spürte schon den Hauch des Todes ihre Schulter streifen, an ihren Brüsten hinuntergleiten und zuschlagen. Gnadenlos zuschlagen.
    Etwas weiter entfernt beobachteten zwei Passanten die Szene, die nicht länger als dreißig Sekunden dauerte, gerade Zeit genug für eine nackte Frau, im Zickzack und so schnell sie konnte mehrere Straßen zu überqueren und im Dunkel des Parks zu verschwinden. Panische Angst verzerrte ihr Gesicht, dessen war sich der Mann sicher, doch er musste seine Frau ansehen, um sich zu vergewissern, dass das alles nicht nur ein Albtraum war. Seine Frau stand, vom Schock gelähmt, mit offenem Mund da. Auch sie hatte den roten Schorf gesehen, der den Kopf der Wahnsinnigen bedeckte.
    Die Stadt verschwand hinter der Silhouette, sie wurde 18 verschluckt vom Geheimnis der dichten Zweige, verschlungen von der unveränderlichen Routine der Natur, nicht einmal die künstlichen Lichter der Zivilisation hatten Bestand.
    Sie rannte noch immer. Der Schweiß von
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