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In besten Kreisen

In besten Kreisen

Titel: In besten Kreisen
Autoren: Amanda Cross
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durchgeschüttelt wurde. Ich erinnerte mich auch, daß Mary Bradford mich da draußen gesehen hatte. Dies alles im Hinterkopf, wanderte ich wieder über die Felder, und während ich zusah, wie die Heumaschine einen Ballen zusammenpreßte, kam mir plötzlich der Gedanke, daß sogar ein umfangreicheres Manuskript sich sehr gut in solch einem Ballen verstecken ließe, wenn es nur in dem Augenblick in die Maschine fiele, in dem Mr. Bradford in eine andere Richtung schaute. Daraufhin fragte ich Bradford mit möglichst gleichgültigem Gesichtsausdruck, ob die Maschine mit dem Heu auch einen Packen Papier zusammenbündeln würde. ›Das ist schon das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, daß ich das gefragt werde‹, sagte Bradford.« Grace Knole stieß einen Pfiff aus. »Was für ein Versteck! Such mir eine Nadel im Heuhaufen.« »Aber natürlich muß man auch die Chance haben, das Paket wiederzufinden. Ich unterhielt mich länger mit Bradford und erfuhr, daß William ihn gebeten hatte, ihn ab Anfang September als Erntehilfe einzustellen. Er sprach davon, daß er einen Job brauche, während er an seiner Dissertation arbeite. Er wollte körperlich arbeiten und so weiter. Er wußte natürlich, wie schwer es heutzutage für Farmer ist, Aushilfskräfte zu finden.« »Und er hatte vor, während er bei Bradford arbeitete, das Manuskript zu ›finden‹. Liebe Güte. Hat Bradford ihn angeheuert?« »Nein. Bradford war recht zurückhaltend in diesem Punkt, aber er schien mir anzudeuten, daß er William im Verdacht hatte, mit seiner Frau eine Affäre zu haben.« »Das war es also«, sagte Kate. »Molly meinte – aber ich hätte nie gedacht…« »Natürlich nicht«, sagte Reed. »Es gibt so vieles, was wir nicht wissen und wahrscheinlich nie wissen werden, wenn auch mit einigem Glück und Gottes gnädiger Hilfe ein Psychiater oder ein Priester oder vielleicht beide zusammen es ans Tageslicht bringen werden.
    Ich glaube, sie hat ihn verführt – vielleicht aus schierer Boshaftigkeit, vielleicht aus wahnsinniger Lüsternheit. Sicher ist nur, daß sie beobachtet hat, wie er etwas ins Heu legte, und mitbekam, daß es etwas für ihn Wertvolles war; ihr Wissen gab ihr Macht über ihn. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er ihr je gesagt hat, was es war, und das ist der traurigste Aspekt der Geschichte. Hätte sie gewußt, daß es eine Kurzgeschichte war, sie hätte das Ganze wahrscheinlich der Mühe nicht wert gefunden. Ich bin sicher, sie hatte noch nie von James Joyce gehört. Weiß Gott, was sie sich gedacht hat.« »Ich habe die entsetzliche Vorstellung«, sagte Emmet, »daß sie ihn genau in dem Heu, in dem sein Schatz steckte, dazu brachte, mit ihr zu schlafen. Es muß dort gewesen sein, denn wo sonst hätte Bradford sie entdecken können? Vielleicht hätte er sie auch weder wegen der Geschichte oder wegen ihres Anschlags auf seine Keuschheit getötet. Vielleicht war der Gedanke daran, daß sie ihn mit ihren lüsternen Blicken verfolgte, während er in dem Heu suchte – denn er mußte ja suchen – mehr, als er ertragen konnte.« »Wie immer es gewesen sein mag«, sagte Reed, »als Kate mir ihr Gespräch mit Molly schilderte, dem Mädchen, das Bradford liebt – da paßte alles zusammen. Es erklärte die Sache mit Lina, es erklärte so vieles.« »Und auf dem Rückweg von Mr. Mulligans Party dachte ich«, sagte Kate, »er spräche von mir. Ich hätte wissen müssen, daß er niemals…« »Oh, ja, alles paßt, wenn man es so sieht. Emmet und ich waren einer Meinung. Aber es gab nicht den Schatten eines Beweises, keinen Hauch. Und was Molly dir gesagt hat, Kate, war wahrer, als du ihr gegenüber zugegeben hast. Bradford wäre, wenn man das Motiv bedenkt, das er hatte, überall des Mordes an seiner Frau beschuldigt und verdammt worden.« »Darum hast du euer kleines Spiel mit dem Feuer inszeniert.« »Es schien uns so am harmlosesten. Hätte es nicht geklappt, hätten wir nichts verloren außer unserem Gesicht – Emmets Gesicht –, und er war bereit, das zu riskieren.« »Soll das heißen«, sagte Grace, »daß ein unbezahlbares unveröffentlichtes Manuskript von James Joyce eingepackt in eines von tausend Heubündeln im Dachgeschoß von Mr. Bradfords Kuhstall liegt?« »Oh, ja, genau das. William hatte den Brief in der Tasche, als die Polizei ihn abführte. Das Manuskript hatte er versteckt, aber den Brief trug er bei sich. Darin stand nur: ›Hier haben Sie es, Lingerwell. Blooms erster Auftritt‹.« »Ich kann kaum abwarten,
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