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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben
Autoren: Rob Alef
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schlechtes Foto, jedenfalls war das Gesicht zu sehen. Dorfner druckte sich das Foto zwanzig auf dreißig Zentimeter aus, ließ es laminieren, und jetzt hing es am Sandsack.
    Schädelspalter hatte nicht übertrieben. Mit Pachulke war da gleich ein ganz anderer Dampf hinter den Schlägen. Die Computerausdrucke seiner Trainingswerte logen nicht. Auch von seinen beiden Kollegen, dem rothaarigen Streber Stiesel und dem Weichei Bördensen mit Pferdeschwanz und zwei Kindern zu Hause, besaß Dorfner Fotos für den Trainingsgebrauch. Aber das war alles nichts im Vergleich zu Zabriskie. Die zweite Hauptkommissarin im Team hatte es auf Dorfner abgesehen, verspottete ihn pausenlos und machte sich darüber lustig, dass er körperlich überqualifiziert war.
    Dorfner war zwar nie um eine Antwort verlegen, allerdings fielen ihm die Antworten meistens immer erst dann ein, wenn er Zwiesprache mit seinen Helden hielt, deren Postergalerie die Längswand des Bootcamps gegenüber der Fensterfront zierten. Dorfner hatte sie alle: Mike Tyson und Bruce Lee, Jean-Claude Van Damme und Arnie. Dolph Lundgrens schweißglänzender Oberkörper als Drago in
Rocky IV
– kein Härchen verunzierte die glattrasierte Brust, die Bauchmuskeln waren mit der größten Raffinesse herausmodelliert. Muhammad Alis properer Hintern in einem dieser wahnsinnig knapp geschnittenen Höschen aus den Siebzigern. Joe Frazier, Chuck Norris, Jackie Chan und natürlich Steven Seagal mit seinem geheimnisvollen, warmherzigen Blick. Von Steven Seagal hatte er zwei Poster und ein gerahmtes Foto mit Autogramm. Diese Jungs hatten immer den richtigen Spruch auf Lager, und wenn nicht, dann legten sie den Dummschwätzer einfach um. Dorfner konnte seine Kollegin nicht einfach umlegen, das war ihm bewusst, aber er konnte sie beziehungsweise ihr Foto auf seinem Sandsack befestigen. Das mit dem Foto war nicht einfach gewesen. Zabriskie war misstrauisch und neigte zur Grausamkeit, wie alle lesbischen Frauen, da machte Dorfner sich nichts vor.
    Neben dem Sandsack stand das Laufband mit Blick aus dem Fenster. Wenn er sich warmmachte oder auf Ausdauer trainierte, hatte er in seiner siebten Etage einen herrlichen Blick über die Plattenbauten am Fennpfuhl in Lichtenberg. Im vorderen Bereich des Zimmers lagen die Matten für seine Dehnungsübungen und den Kampfsport. Für das Gewichtheben hatte er heute eine andere, festere Unterlage ausgelegt.
    Dorfner öffnete die Balkontür und trat hinaus. Die frische Morgenluft strömte in seinen Trainingsraum. Er lehnte die Unterarme auf die Brüstung und sah nach unten auf den Parkplatz, wo sich ein Auto umständlich in eine Parklücke kämpfte. Ein Mann mit einer Aktentasche stieg aus und blinzelte in die Runde. Scheiß-Schwuchtel, zu dumm zum Autofahren.
    Dorfner ging zurück ins Bootcamp und räumte auf. Von jedem Gegenstand wusste er genau, wann er ihn gekauft und wie lange er dafür gespart hatte. Schnell mal zärtlich über die Hanteln wischen, den Spiegel mit Glasrein einsprühen, einen losen Klebestreifen am Poster von Chuck Norris ersetzen, die Schachtel mit dem Magnesium verschließen. Gleich würde er unter die Dusche springen und danach eine große Schüssel Müsli mit gehobelter roher Leber und Buttermilch verzehren, wie es sein Ernährungsplan vorsah. Doch da –
palim, palim
– läutete es an der Tür.
    Vielleicht war es die hübsche blonde Nachbarin, die er manchmal im Aufzug sah. Dorfner starrte ihr immer auf die Beine, wenn sie ihre hautengen Jeansshorts trug. Vielleicht wollte sie etwas Zucker von Dorfner borgen, weil sie sich Zucker auf die Cornflakes machte und nicht rohe Leber. Aber Dorfner hatte keinen Zucker. Auch kein Olivenöl. Vielleicht wollte sich die flotte Nachbarin auch eine Kurzhantel leihen, 1,5 Kilo, um ihr Schnitzel weich zu klopfen. Oder sie hatte heimlich Dorfners Tagesrhythmus ausspioniert und wollte, dass er genau in diesem Moment an die Tür kam. Sein schweißnasser Körper hatte jetzt diese gewisse animalische Anziehungskraft, die Haare zerwühlt, die Stimme tief und sonor, kraftvoll nach dem Urschrei beim Gewichtheben. Ihr Blick würde über Dorfners Schultern wandern, weiter zu seinem Brustkorb und von dort nach unten. An seinem Abdomen würde ihr Blick hängenbleiben, und sie würde mit einer unwillkürlichen Geste ihre Haare aus dem Gesicht streichen, so ihre tiefe Verlegenheit überspielen und sagen: »So ein Anblick auf nüchternen Magen, da kann eine blonde Frau in hautengen Jeansshorts schon mal auf
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