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Immer Schön Gierig Bleiben

Immer Schön Gierig Bleiben

Titel: Immer Schön Gierig Bleiben
Autoren: Rob Alef
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dumme Gedanken kommen.« Und sie würde ihren Fuß in die Tür stellen, obwohl Dorfner die Tür gar nicht zumachen wollen würde, und sie würde sich an ihn drücken und mit der Spitze ihres Zeigefingers die Konturen seines Sixpacks nachzeichnen und dann …
    Dorfner öffnete die Tür.
    »Sie sind Dorfner?«, fragte ein Mann, der vielleicht so alt war wie Dorfner. Von der blonden Nachbarin war nichts zu sehen, vielleicht schlief sie heute länger. Der Mann war dünn und schlaff und hatte schütteres mausbraunes Haar und einen unsteten Blick. Er trug eine hellblaue Baumwollhose mit einem geflochtenen Gürtel aus hellem Material. Zwischen seinen Beinen stand eine Aktentasche.
    Scheiße, die Schwuchtel vom Parkplatz. »Ja, ich bin Dorfner, aber Sie sehen doch, dass ich …«
    »Schreiben mit Postzustellungsurkunde.« Der Mann wedelte mit einem Umschlag und zückte ein Klemmbrett mit einem unübersichtlichen Formular, das er mit dem Ellbogen an seinen Körper gepresst hatte. »Hier unterschreiben.«
    Dorfner klopfte mit der flachen Hand auf seine Sporthosen, um zu zeigen, dass er keinen Stift hatte, aber der Mann hielt ihn schon bereit.
    Dorfner nahm sich das Klemmbrett und überflog das Stück Papier. Das kam von einer Anwaltskanzlei. Vielleicht wollten die ihn anwerben als Privatdetektiv.
Einer muss auch bei einer seriösen Firma die schmutzige Arbeit machen, und Sie, Dorfner, sind uns empfohlen worden
, würde der Seniorchef sagen und ihm eine fünfstellige Summe für zwei Wochen Arbeit anbieten.
    Während er die Zeile für seine Unterschrift suchte, merkte Dorfner, dass der Mann ihn anstarrte. Sein Blick wanderte über Dorfners Schultern, von dort zum Brustkorb weiter nach unten. An Dorfners Abdomen blieb sein Blick hängen. Mit einer Geste strich sich der Mann durch sein schütteres Haar und sagte: »So ein Anblick auf nüchternen Magen, da kann ein Briefzusteller in blauen Baumwollhosen schon mal auf dumme Gedanken kommen.«
    Dorfner bekam schweißnasse Hände, aber er wollte auf gar keinen Fall, dass der Mann mit der Aktentasche das merkte. Sonst würde er vielleicht Dorfners Finger an die Lippen führen und …
    »Her damit«, schrie Dorfner. Er warf das Klemmbrett von sich, riss dem Mann den Umschlag aus der Hand und knallte die Wohnungstür etwas fester zu als beabsichtigt. Der Türrahmen knirschte.
    Dorfner zitterten die Knie, als er vor der Spiegelwand auf seiner Übungsbank Platz nahm. Er studierte den Latissimus von Mike Tyson, bis er sich gefangen hatte. So eine Frechheit. Dieser Butzi hatte ihn völlig ungeniert gemustert. So weit war es jetzt schon gekommen. Erst adoptierten sie gesunde, heterosexuelle Kinder, um sie umzupolen, dann suchten sie Singlemänner in ihren Wohnungen heim, wenn sie gerade knapp bekleidet waren. Mit der blödesten Ausrede der Welt, einem Brief von einer Kanzlei. Dorfner riss den Umschlag auf.
    Sehr geehrter Herr Dorfner
,
    hiermit zeigen wir an, dass wir von der Gravy Train Real Estate Inc., Dublin, Irland, bevollmächtigt sind, ihre berechtigten Interessen wahrzunehmen. Sie haben sich zahlreicher grober Verstöße gegen die Hausordnung schuldig gemacht. Deshalb sprechen wir gegen Sie eine fristlose Kündigung aus. Im Einzelnen legen wir Ihnen zur Last: Als Sie hier vor drei Jahren eingezogen sind, haben Sie alsbald begonnen, in Ihrer Wohnung ein Fitnessstudio einzurichten. Ihre Kampfsprünge, Ihr Training am Sandsack, vor allem aber das Gewichtheben immer am Mittwoch haben zu schweren Beeinträchtigungen der Bausubstanz und der Lebensqualität Ihrer Nachbarn geführt. In allen Wohnungen der sechsten Etage in Ihrem Aufgang fällt der Putz von der Decke. Besonders schlimm ist es beim Ehepaar Schmidt direkt unter Ihnen. Die beiden klagen über regelmäßige Funde von Putzflöckchen in ihren Cornflakes, die eindeutig von der Küchendecke stammen und sich eindeutig dann lösen, wenn Sie Ihre Langhantel fallen lassen. Der unwillkürliche Verzehr zahlreicher Putzflöckchen hat bei Herrn Schmidt (87) zu Gedächtnisverlust und Schlafstörungen geführt. Auch seine Zunge fühlt sich mehlig an, sagt er, besonders mittwochs. Frau Schmidt (86) leidet an Angstzuständen und führt dies auf die Schreie zurück, die Sie regelmäßig ausstoßen. Für alle folgenden Gesundheitsschäden der beiden machen wir Sie vollumfänglich verantwortlich. Aus Kulanzgründen und um einen für Sie unter Garantie aussichtslosen Rechtsstreit zu vermeiden, gewähren wir Ihnen eine Frist von zehn Tagen, um Ihre
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