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Immer diese Gespenster

Immer diese Gespenster

Titel: Immer diese Gespenster
Autoren: Paul Gallico
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aus dem Turm seines Panzers gespäht hatte. «Sie brauchen keine Angst zu haben», wiederholte er, und seine Hand suchte die von Beth, die zitternd auf den Tisch starrte, als wäre sie hypnotisiert. Er legte, ohne nachzudenken, den Arm um ihre Schultern und sagte: «Reiß dich zusammen, Mädchen! Es ist alles wieder in bester Ordnung.»
    Doch es war noch lange nicht alles in Ordnung, denn in diesem Augenblick sah er, wohin das erschreckte Mädchen blickte, und er sah auch das unverhüllte Entsetzen, mit dem Susan Marshall auf ihren Teller starrte. «Oh, wie abscheulich», flüsterte sie, «wie widerlich und gemein!» Noreen hatte ihre Augen ebenfalls auf den Teller geheftet und war so fasziniert von dem Anblick, daß sie sogar zu kichern vergaß. Auf Susan Marshalls Teller lag ein totes Kaninchen, das noch die Drahtschlinge der Falle um den Hals trug.

Mister Hero bekommt Besuch

    Es bestand kein Zweifel, daß der vornehme Herr, der Mr. Alexander Hero, Parapsychologe und Erforscher des Übersinnlichen, zu sprechen wünschte, in großer Eile und Aufregung war. Mrs. Harris, Heros Putzfrau, führte den Gast ins Wohnzimmer des stilvollen weiß getünchten Hauses an der Eaton Mews North 88 A, in der Nähe von Londons vornehmem Eaton Square, und schlurfte zum Laboratorium hinüber. Sie war beeindruckt von dem ernsten, militärischen Wesen des Besuchers und freute sich über die Gelegenheit, ihre Nase in verbotenes Gebiet zu stecken.
    Der hochgewachsene junge Mann im Laboratorium trug einen langen weißen Leinenmantel und stand inmitten eines Gewirrs verschiedener Vorrichtungen, die er größtenteils selber erfunden hatte. Er beobachtete die schwankende Nadel eines Meßinstrumentes, indem er die Unterlippe ungläubig vorschob, und versuchte gleichzeitig eine Flasche im Auge zu behalten, deren Inhalt kochte. Er besaß ein gewinnendes Äußeres und einen wilden Schopf hellbrauner Haare, die ihm wie der Kamm eines Hahnes in die Stirn fielen. Sein Mund war sehr beweglich und das Kinn ungewöhnlich eigensinnig. Er drehte sich nicht um, als er Mrs. Harris in ihren ausgetretenen Schuhen heranschlurfen hörte, sondern rief bloß: «Hallo. Unbefugtes Betreten verboten! Wollen Sie so freundlich sein und die Tür schließen.«
    Mrs. Harris ließ sich nicht einschüchtern. «Nur nicht so kratzbürstig», sagte sie. «Es ist ein vornehmer Herr da, der Sie zu sprechen wünscht. Er sagt, es sei dringend.»
    Alexander Hero rief: «Was soll das? Entweder kommen Sie herein, oder Sie bleiben draußen. Es zieht.»
    «Sie haben gesagt, ich dürfte da nie hinein.»
    Hero entgegnete: «Nun, heute mache ich eine Ausnahme.» Er entfernte den Bunsenbrenner unter der Flasche und drehte sich, vergnügt lächelnd, um. Seine Augen waren intelligent und humorvoll. Er besaß die große Nase der hugenottischen Heureux — englisch Hero — , die die Männer der Familie davon abhielt, hübsch zu sein, sie jedoch nicht daran hinderte, anziehend zu wirken. «So», sagte er, «jetzt erzählen Sie mir alles schön der Reihe nach, meine Liebe.»
    Mrs. Harris blickte ihn freundlich und unverschämt zugleich an. «Gott, was für ein Gestank!» sagte sie. «Er heißt Sir Richard Lockerie und kommt aus einem Ort, der wie Paradies-Halle klingt. — Er ist ganz nervös und will Sie unbedingt sprechen.»
    Der junge Mann sagte halb zu sich selber: «Merkwürdig, Sir Richard Lockerie? Der wohnt doch nicht in Paradine Hall! Haben Sie das auch richtig gehört?» Er betätigte einen Schalter, löschte den Bunsenbrenner und wischte sich die Hände an einem chemikalienbefleckten Handtuch ab. Dann steckte er seine alte Bruyèrepfeife zwischen die Zähne und folgte Mrs. Harris ins Wohnzimmer, wo sein Besucher unruhig auf und ab ging. Er erkannte ihn sofort. Durchdringende blaue Augen, gestutzter Schnurrbart, graumelierte Schläfen, militärische Haltung — er hatte sich nicht verändert.
    Hero sagte: «Oh, Sir Richard! Es ist lange her, seit ich zum letztenmal das Vergnügen hatte.»
    Ein Ausdruck großer Erleichterung breitete sich über Richard Lockeries Züge aus. «Beim Zeus, Hero», sagte er, «Sie wissen nicht, wie froh ich bin, Sie zu Hause zu treffen. Ich hätte zuerst anrufen sollen, doch ich komme direkt von Paradine Hall.»
    «Oh, das habe ich falsch verstanden», sagte Mrs. Harris, die es sich mitten in der Türöffnung bequem gemacht hatte. «Ich dachte, Sie hätten gesagt.»
    Mr. Hero ging auf sie zu und drehte sie sanft um. «Gehen Sie jetzt, meine
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