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Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)

Titel: Immer Ärger mit Opa: Roman (German Edition)
Autoren: Brigitte Kanitz
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ausschließlich für dich bestimmt ist. Du bist nicht Heidis und Olafs leibliche Tochter, sondern ein Findelkind.«
    Paul hob den Blick. »Aber das weißt du inzwischen.«
    »Ja.« Ich erinnerte mich an das, was ich schon bei der ersten Lektüre von Opas Brief gedacht hatte: Er hatte doch kein Dominospiel in Gang gesetzt, sondern dafür gesorgt, dass ich wirklich alles erfuhr. Mamas Geständnis hatte er nicht vorausahnen können.
    »Lies einfach weiter«, bat ich Paul.
    »Also gut: Als ich dich an jenem Morgen auf unserer Türschwelle fand, warst du fest in eine Decke eingepackt. Ich wickelte dich aus und fand einen Zettel …« Wieder unterbrach sich Paul. »Davon hattest du keine Ahnung?«
    »Nein. Bitte Paul, mach weiter.«
    Er nickte. »Die wenigen Zeilen mussten von deiner leiblichen Mutter sein. Es war eine krakelige Handschrift, und es sind viele Jahre vergangen. Ich habe den Zettel damals gleich vernichtet und kann mich nicht mehr an den Wortlaut erinnern. Trotzdem muss ich dir mitteilen, was sie geschrieben hat. ›Geben Sie meiner Tochter ein Zuhause, ich flehe Sie an. Ich kann es nicht. Ihr Vater ist ein Verbrecher, und ich muss verreisen.‹ Das waren ungefähr ihre Worte.«
    Paul ließ den Brief sinken. Das Wichtigste hatte er vorgelesen. Opas Beteuerungen, er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, ließ er aus.
    »Wenn du jetzt doch lieber noch nach Hause fahren möchtest …« begann ich zaghaft. »Ich könnte das echt verstehen.«
    Paul schwieg. An seiner Schläfe pochte eine Ader.
    Ich wartete und wappnete mich gegen den Schlag.
    Noch einmal las er sich die Zeilen durch, dann traf er eine Entscheidung.
    »Mehr als dreißig Jahre«, sagte er langsam. »Das ist eine sehr lange Zeit. Und Hermann Lüttjens gibt selbst zu, dass er sich nicht mehr genau erinnern kann.«
    »Mag sein«, gab ich ohne viel Hoffnung zurück. »Aber ein Wort wie Verbrecher denkt man sich nicht aus. Auch nicht nach so vielen Jahren.«
    Erneut schwieg Paul.
    Lange.
    Dann plötzlich zog er mich an seine Brust. Der Brief flatterte zu Boden.
    »Es ist mir egal, Nele. Du bist nicht dafür verantwortlich, was deine Eltern getan haben. Ich liebe dich und nicht irgendwelche Menschen, die ich nie kennengelernt habe. Du bist von einer anständigen Familie großgezogen worden, und du bist eine wunderbare Frau.«
    Vor Erleichterung bekam ich weiche Knie. »Sag das noch einmal«, bat ich.
    »Du bist eine wunderbare Frau.«
    »Nein, das andere.«
    Paul küsste mich lange und zärtlich, und dann sagte er es wirklich noch einmal. »Ich liebe dich.«
    Ich hatte es mir nicht eingebildet.
    Erschöpfung übermannte mich, und ich sank mit Paul zusammen auf das Bett, wobei er einen leisen Schmerzenslaut ausstieß. Auch meine Kopfschmerzen meldeten sich zurück. Sie hatten den ganzen Tag auf der Lauer gelegen. Vorsichtig befühlte ich meine Beule. Ziemlich groß, das Ding.
    Dann schliefen wir ein, so plötzlich, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
    Im Morgengrauen wachte ich auf.
    Paul schlief fest. Er lag auf dem Bauch, sein entspanntes Gesicht mir zugewandt.
    Liebe durchflutete mich, und im schwachen Licht konnte ich mich kaum sattsehen an ihm. Noch lag Stille über dem Hof, nur hin und wieder erklang draußen ein seltsames Klappern, das ich den üblichen Geräuschen nicht zuordnen konnte.
    Meine Gedanken wanderten zu Opas Brief. Ich fragte mich, ob ich jemals herausfinden würde, wer meine leiblichen Eltern waren. Dann fragte ich mich, ob ich das überhaupt wollte. Wozu in der Vergangenheit graben, wenn mir Gegenwart und Zukunft so viel Glück versprachen?
    Ich dachte an Pauls Worte im Totengrund und lächelte. »Alles ist gut.«
    Manchmal waren die einfachsten Worte die richtigen.
    Ich wollte noch einmal einschlafen, dicht an Paul gekuschelt, aber das Klappern störte mich.
    Schließlich gab ich es auf. Ich schlüpfte aus dem Bett, ging in mein Zimmer und zog mich an.
    Zehn Minuten später stand ich in der Küche und bereitete für alle Hausbewohner und Gäste ein großes Frühstück vor. Der Duft nach frischem Kaffee lockte sie nach und nach alle nach unten.
    Grete und Marie kamen zuerst.
    »Glaubst du, ich bin zu alt, um Frühstück zu machen?«, schimpfte Grete.
    »Ich habe dich auch lieb«, gab ich zurück.
    Dazu fiel ihr nichts ein.
    Marie lobte mich für den reich gedeckten Tisch, sah sich dann aber suchend um.
    »Wo ist denn der Kassettenrekorder?«
    »Äh … keine Ahnung.«
    Tief vergraben in der Speisekammer.
    Paul mochte
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