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Im Zeichen der Sechs

Im Zeichen der Sechs

Titel: Im Zeichen der Sechs
Autoren: Mark Frost
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dem er lag, in einer sanften Mulde im Zentrum eines runden Musters, irgendeines detailreichen Mosaiks, das in den Steinboden eingelassen war. Ringsherum am Rande des Kreises zählte er sechs silberne Sockel. Ein gedrungenes Kohlenbecken stand an der Seite. Der kalte Luftzug, den er gespürt hatte, wehte aus einem rohbehauenen, klaffenden Loch im Boden am anderen Ende des Raumes, dem Eingang zum Labyrinth gegenüber. Eine breite Rinne führte vom Rand des Loches zu der Mulde, in der er lag. Über ihm in der Decke befand sich ein enger Kreis von Gittern, die aussahen wie die Abdeckungen von Einstiegslöchern; die Geisterstimmen, die er gehört hatte, kamen von dort.
    Der Reverend hinkte im Raum umher und zündete mit dem Licht seiner Laterne eine Reihe von weiteren Lampen an, die an den Wänden hingen. Dann kam er zu Jacob, blieb vor ihm stehen und betrachtete ihn. Als Jacob sich nicht rührte, stieß der Reverend ihn mit der Stiefelspitze an.
    »Ich bin wach«, sagte Jacob.
    »Wirklich? Ich hätte mich mit ›am Leben‹ begnügt; wach ist beinahe ein Bonus. Ich hatte befürchtet, Sie würden den ganzen Spaß versäumen.«
    Jacob schwieg.
    »Ich weiß, wie außergewöhnlich bewandert Sie in Ihrer Thora sind, Rabbi. Wie steht es mit der Bibel?«
    »Verzeihen Sie, aber ich –«
    »Mit dem Buch der Offenbarung, zum Beispiel?«
    Jacobs Herzschlag setzte einmal aus; er versuchte seine Lage zu ändern, um ihn durch einen Ruck wieder in den rechten Rhythmus zu bringen, und dabei konnte er zum ersten Mal, seit der Mann hereingekommen war, einen Blick in das Gesicht des Reverend werfen.
    Gütiger Himmel. Er sieht schlimmer aus, als ich mich fühle. Wie eine exhumierte Leiche.
    Sein Gesicht, weißer als Elfenbein, war von geronnenem Blut überkrustet. Die Blutgefäße, die seine Schläfen überzogen, ringelten sich, als seien sie zum Leben erwacht und hätten sich aus ihren Befestigungen gelöst. Seine Augen waren rot und wüst wie rohes Fleisch.
    »Ich will Ihre Erinnerung auffrischen«, sagte der Reverend. »›Das Blut der Unschuldigen soll regnen in die Wunde, welche sich hat geöffnet in der Erde, und das Tier wird aufsteigen, welches ist der Engel des bodenlosen Abgrunds, des Name heißt auf Hebräisch Abaddon. Und er wird Krieg führen wider sie und sie überwinden und töten.‹ Läutet da ein Glöckchen bei Ihnen, ja, Rabbi?«
    Jacob schüttelte den Kopf.
    »Oh, das kommt noch«, sagte Reverend Day und reckte den Hals, um zu den Gittern an der Decke hinaufzuspähen. »Wenn die Glocke wieder läutet und das Heilige Werk beginnt.«
    Dante sah einen Schatten über die Wand vor der Tür kriechen; er stand auf, die Messer in den Händen, sprungbereit. Die Tür öffnete sich. Frederick. Dante entspannte sich. Dann sah er den schrecklichen Ausdruck in Fredericks Gesicht.
    »Ist er da drin?« fragte Frederick und deutete auf das Labyrinth.
    Dante nickte.
    »Dann finden wir ihn nie.« Er sah wütend aus, und erregter, als Dante ihn je gesehen hatte.
    »Haben Sie das Buch?« fragte Dante.
    »Nein. Unsere Situation sieht folgendermaßen aus, Mr. Scruggs: Wir haben keine Zeit mehr, der Reverend hat nicht bezahlt, was er mir schuldet – eine enorme Summe –, und es ist kein Geld in der Stadt.« Fredericks Gesicht war wutverzerrt. »Jedenfalls keines, das ich finden kann. Daß wir unser Leben einsetzen, ohne eine Vergütung zu erhalten, ist nicht Bestandteil meiner Abmachungen. Haben Sie verstanden? Unsere Dienste sind hier nicht mehr erforderlich; ich verabschiede mich. Wenn Sie weiterleben wollen, schlage ich Ihnen vor, desgleichen zu tun.«
    Dante schaute zum Gang hinüber und überlegte kurz. Dann schüttelte er den Kopf. Er mochte Frederick durchaus, aber den Reverend mochte er noch lieber.
    »Wie Sie wollen«, sagte Frederick und verschwand auf der Treppe.
    Dante stellte sich in die Mitte der Kammer. Was sollte er tun? Die Glocke läuten und den Reverend den weiten Weg zurückkommen lassen, nur um ihm zu erzählen, daß Frederick das Buch nicht gebracht hatte? Das würde ihn nur böse machen. Vielleicht sollte er ihn suchen gehen. Aber der Reverend hatte ihm verboten, ihm in den Gang dort zu folgen. Von Unschlüssigkeit gelähmt, stand Dante da, bis er wiederum Schritte auf der Treppe hörte.
    Als sie sich der Fassade der Kirche näherten, sahen sie, daß die schwarzgekleideten Wachen dort etwas auf Rädern in Stellung brachten.
    Jack ließ sie alle hinter einer Steinmetzhütte in Deckung gehen. Presto und Lionel versuchten
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