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Im Zeichen der Roten Sonne

Im Zeichen der Roten Sonne

Titel: Im Zeichen der Roten Sonne
Autoren: Federica de Cesco
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vermocht hatten. Und in meiner Erschütterung und Leidenschaft unterdrückte ich meinen Wunsch, mich ihm entgegenzuwerfen, und sagte: »Du bist frei.«
    Er rührte sich nicht, doch seine Augen bohrten sich in meine. Er sprach nur ein einziges Wort:
    Â»Warum?«
    Ich wandte das Gesicht von ihm ab.
    Â»Ich bin dir keine Erklärung schuldig.«
    Er nahm den Kopf zwischen die Hände und fing an zu lachen, die blutigen Finger gegen die Schläfen gepresst. Reglos stand ich da. Mein Herz klopfte so stark, dass mein ganzer Körper bebte. Ich wich zurück, lehnte mich gegen die Mauer. Da hob er den Kopf, und ich sah, dass sein Gesicht von Tränen überströmt war.
    Â»So weißt du es also«, stieß er heiser hervor.
    Ich sah zu Boden.
    Â»Was geht es dich an?«
    Er holte tief Luft, machte einige Schritte auf mich zu. Sein Lachen erstickte in Schluchzen.
    Â»Willst du wissen, warum mich das belustigt? Du bist jetzt Königin. Du wirst Seine sehr eingebildete Hoheit Iri heiraten und über zwei vereinte Königreiche herrschen. Das ist es, was sie wollte, nicht wahr?«
    Â»Schweig«, flüsterte ich.
    Er kam noch näher. Ich hob mein Gesicht zu ihm. Ich hätte seine Hände, seine Schultern packen mögen, mit der verzweifelten Wut von jemandem, der sich lange beherrscht hat und es jetzt nicht länger konnte. Doch ich rührte mich nicht. Er wischte sich die Augen mit der Hand.
    Â»Wer in blinder Leidenschaft eine Ungerechtigkeit begangen hat, und mag sie noch so entsetzlich sein, der darf sich erhobenen Hauptes daran erinnern, wenn er sich vor der Göttin und sich selbst freimütig dazu bekennt. Ich fürchtete den Tod nicht, doch sie hat sich gescheut, den Richterspruch zu fällen, und stattdessen dir diese Aufgabe übertragen.«
    Er atmete stoßweise. Ich stand mit zurückgelehntem Kopf und spürte die Wärme seines Körpers.
    Â»Du hattest mich mit dem heiligen Bannfluch belegt. Bis ans Ende meiner Tage wird mein Gesicht die Zeichen der Schande tragen. Aus Rache schwor ich den Untergang von Yamatai und schmiedete die heilige Waffe.«
    Â»Schweig!«, stöhnte ich noch einmal. »Bitte schweig!« Zitternd streckte ich die Hände aus, zeichnete in seinem tränennassen Gesicht die violetten Spiralen der Tätowierung nach. Meine Finger glitten über seine Stirn, seine Wangen. Hielten auf den Augenlidern, auf den Lippen an. Sein Gesicht kam näher, immer näher. Seine Augen hatten einen starren, irren Glanz. Ich trank seinen Atem. Einen Augenblick noch zögerte ich, dann flogen meine Arme um seine Schultern, schlangen sich um seinen Hals. Sein Haar fiel über mein Gesicht und seine Wärme umfing mich, durchdrang mich …
    Â»Warum«, flüsterte ich gegen seinen Mund, »warum hast du so lange das Geheimnis gehütet?«
    Lautlos wich er zurück. Sah mich an, als erwache er aus einem Traum, als sähe er mich zum ersten Mal. Mit beiden Händen packte er meine Handgelenke, löste meine Arme von seinen Schultern und schob mich sanft, doch unerbittlich von sich. Ich fiel schlaff gegen die Wand.
    Â»Ich war durch einen Eid gebunden«, sagte er rau und wandte sich ab. »Sie musste eine Tochter von gleichem königlichem Blut empfangen. Sie … sie hat sich meiner bedient. Es geschah vor fünfzehn Jahren, im Heiligen Eichenwald, als ich am Ufer des Wildbaches auf der Hirschjagd war.«
    Sein Gesicht lag im Schatten. Ich sah auf meinen Handgelenken die Spuren seines Blutes.
    Â»Jahrelang konnte ich an nichts anderes mehr denken. Ihr Name klang unentwegt in meinem Gedächtnis, drängte sich auf meine Lippen. Ich habe alles ertragen: Ungewissheit, Qualen, Einsamkeit. Sie, sie war mit eisernem Willen entschlossen, nicht dem Ruf ihres Herzens zu folgen, sich nicht in eine Bindung einzulassen, die für das Königreich Nachteile hätte bringen können. Von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr wartete ich auf den Augenblick, wo sie mit gebrochener Kraft die selbst angelegten Fesseln sprengen würde. Doch ich wartete vergeblich …«
    Ich hob meine blutigen Handgelenke an die Lippen, fuhr langsam mit der Zunge darüber. Er sprach weiter, den Blick ins Leere gerichtet:
    Â»Ich trug in mir die Glut der Stürme. Sie die alles beherrschende Kraft der Sonne. Seit Anbeginn war ich zur Niederlage verurteilt! Ich hätte hundertmal vorgezogen, im Kampf zu sterben, zwischen Steinen und Dornen zu
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