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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli
Autoren: Ursula Kahi
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an.
    «G-g-genau», bekräftigte Alain Schaad. «D-d-du verrätst uns ja auch nicht, w-w-was für ein Zeug du uns genau unterjubelst.» Er zeigte auf das Gebäck in Kurt Bretschers Hand. «O-o-oder hast du vielleicht heute die Güte, u-u-uns in das Geheimnis deiner Spezialitäten einzuweihen?»
    « Porca miseria , was hast du gesagt?»
    «Alain hat Flora nur gefragt, was Kurt da eigentlich isst.»
    Vincenzo Bionda nickte. «Manchmal redet Alain ein Kauderwelsch … Wie ein Professor, weisch. Du tust ihm doch nicht heimlich Kirsch in seinen Saft?»
    «Na hör mal, du weisst genau, dass ich keinen Alkohol ausschenke.» Flora war hinter der Theke hervorgekommen und stellte die georderten Getränke auf den Bistrotisch im Schatten der Platanen. «Und jetzt müsst ihr mich entschuldigen, die Einkaufsliste für morgen wartet.» Eilig zog sie sich in ihren Imbiss zurück. Es war nicht so, dass sie etwas zu verbergen gehabt hätte. Und sie war sich auch sicher, dass den fünf Männern ihre Snacks allen Sticheleien zum Trotz schmeckten. Dennoch wollte sie ihnen die genauen Zutaten lieber noch nicht unter die Nase reiben.
    Johannes hatte inzwischen eine beachtliche Menschentraube um sich geschart. Schweissperlen glänzten auf seiner Stirn, und unter den Achseln zeichneten sich dunkle Flecken ab. «Winden werden sie sich, Würmern gleich, im Schlamm ihrer Verderbnis. Das faulige Fleisch wird in Fetzen von ihren verrenkten Gliedern fallen, und ihr Odem wird, gemeinsam mit dem Pesthauch ihrer Seelen, den Äther vergiften.» Ruckartig warf er den Kopf zurück. Die fettigen Haarsträhnen, die ihm ansonsten am Schädel klebten, umzüngelten ihn für Sekunden wie die Schlangen das Haupt der Medusa. «Diejenigen aber, die frei sind von Sünde, die die Perversion der gleichgeschlechtlichen Liebe bekämpfen, die Aids als eine Strafe Gottes anerkennen und all ihre Kraft darein setzen, die Hurerei in den Betten der Nachbarn auszumerzen, fahren an der Seite Jesus des Allmächtigen auf in den Himmel.»
    «Jetzt ist Johannes völlig durchgeknallt», sagte Hans-Jakob Käser. «Was haben die in ‹Königsfelden› bloss mit ihm angestellt? Vor seinem Aufenthalt dort war er doch noch vergleichsweise normal.»
    «Du kennst ja ‹Einer flog über das Kuckucksnest›.»
    «Mein lieber Gody, der Film ist fast vierzig Jahre alt. Seither hat die Psychiatrie gewisse Fortschritte gemacht.»
    «Wenn du meinst.» Gody Metzger zuckte mit den Schultern. «Ich für meinen Teil traue den Irrenärzten nicht über den Weg.»
    «W-w-wenn wir schon beim Thema sind, h-h-heute kann ich nicht zu unserem Filmabend kommen. I-i-ich gehe ins Theater.»
    « Porca miseria. Wir wollten doch ‹Goldfinger› schauen.»
    «I-i-ich weiss. A-a-aber meine Frau hat mich ins Theater ‹Tuchlaube› eingeladen. In d-d-dieses Stück über Bernhard Matter.»
    «‹Dr Gaunerkönig Bärnhard Matter›?» Hans-Jakob Käser stellte das Glas auf den Tisch zurück. «Soll gut sein, hab ich gehört. Warum verschieben wir den ‹Goldfinger› nicht auf Donnerstag und leisten Alain und seiner Frau Gesellschaft? Ich wollte schon immer wissen, was es mit dem Schweizer Robin Hood auf sich hat.»
    «Auch ihr, die ihr meine Worte hört, könnt noch gerettet werden», dröhnte Johannes’ Stimme durch die Platanenallee. «Noch besteht die Möglichkeit zur Umkehr. Bekennt eure Sünden, legt eure Verkommenheit ab, und ihr werdet am Tag der Entrückung die Herrlichkeit des Himmels schauen.»
    «Woher weisst du das alles so genau?», lallte einer der Umstehenden. Sein Gesicht wurde von einer grossen Sonnenbrille fast vollständig verdeckt. Dunkle Bartstoppeln überzogen sein Kinn, und der hellbeige Anzug, der um seinen Körper schlotterte, war zerknittert und fleckig.
    «Ist das nicht der Sarasin?», wollte Kurt Bretscher wissen. «Der sieht ja aus wie ein Penner.»
    «U-u-und stockbesoffen ist er auch.»
    «Ungläubiger, versündige dich nicht am Herrn.»
    «Herr?» Thomas Sarasin lachte hysterisch auf. «Komm mir nicht mit dem Herrn. Wo ist er denn, dein Herr? Wo war er heute, als man mir meine Buchhandlung genommen hat? Und bei 9/11 in New York? Und beim Tsunami im Indischen Ozean? Und bei jenem in Japan?»
    « Porca miseria. Jetzt hat der Sarasin den ‹Bücherwurm› also tatsächlich zumachen müssen.»
    «Sieht ganz danach aus. Armer Teufel. Dabei hat er doch eine kranke Frau und ein kleines Kind zu Hause.» Hans-Jakob Käser klang richtig mitfühlend.
    «Wenn er bloss nichts Unüberlegtes tut,
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