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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes
Autoren: Evita Wolff
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schließlich bekam er einen anderen Reiter. Lionheart mochte diesen Jockey von Anfang an nicht, aber er wehrte sich nicht. Eric wünschte, daß er diesen Reiter trug, und sein Vertrauen in Eric war ohne Grenzen. Heute nun hatte der Hengst den letzten Schritt getan, und Erics Auftrag war erfüllt. Mit seinem überraschenden Sieg hatte Lionheart an seine Erfolge vor dem Unfall angeknüpft. Er hatte sein Löwenherz zurückgewonnen. Und er hatte Eric verloren.
Als Eric ihn durch einen leisen Zuruf und ein Zurücknehmen des Gewichtes verlangsamte und schließlich anhielt, spürte Lionheart auf einmal, daß etwas anders war als sonst. Und als Eric von seinem Rücken glitt und die Hand unter seine Mähne schob, drängte er sich gegen ihn und versuchte, sich ihm in den Weg zu stellen, indem er den Hals vorstreckte und ihn heftig gegen Erics Brust drückte. Da waren die Hände auf seinem Gesicht, die weiche Stimme, aber sie beruhigten ihn nicht.
»Okay, Junge.« Die Stimme klang gepreßt, wie er sie nie zuvor gehört hatte. »Du weißt es natürlich schon ... irgendwie, nicht wahr? Du bist jetzt stark genug, es ohne Hilfe zu schaffen. Du bist durch das Fegefeuer gegangen und hast es überwunden.«
Lionheart drehte Eric beide Ohren zu, so daß sie ganz schräg geneigt waren, und schnoberte gegen Erics Gesicht. »Also wirklich, Lion, du mußt mir schon zuhören, weißt du ... ach nicht! Nicht am Ohr kitzeln!« Er zerraufte Lionhearts lange Stirnlocke und sagte dunkel, damit der Hengst seine Spielerei ließ: »Du hast es geschafft, und du bist an dieser Herausforderung gewachsen. Nichts, niemand kann dir im Weg stehen.« Eric bemerkte nicht die Gestalt hinter ihnen, er hatte Williams völlig vergessen.
Er brachte Lionheart zu seiner geräumigen Box und führte ihn hinein. Seine Hände strichen über das seidige Fell, das er auf einmal nicht mehr sehen konnte. Es war nur ein kastanienfarbener Schimmer.
»Du bist ganz trocken«, murmelte er rauh, »hast dich nicht mal angestrengt bei unseren Runden.« Er preßte sein Gesicht gegen den Pferdeleib. Der Hengst wandte den Kopf und drückte sein Maul zwischen seine Schulterblätter.
»Ist gut, Junge. Ich werd' dich nicht belügen. Du wirst Rennen laufen und großartige Fohlen zeugen. Du wirst das tun, was dir schon immer bestimmt war, und mit noch größerem Mut. Vergiß nicht, was ich dir über das Fegefeuer gesagt habe. Du gehörst zu denen, die verstehen können. Vergiß nicht, die durch das Fegefeuer gehen, sind unbesiegbar. Nichts kann sie ängstigen, nichts kann sie aufhalten.«
Er nahm den zutraulichen Pferdekopf zwischen seine Handflächen und preßte einen Kuß zwischen die empfindsamen Nüstern. »Leb wohl, mein Freund«, murmelte er und bemühte sich, seine Stimme nicht anders klingen zu lassen als bei jedem Abschied. Er verriegelte die Box und schloß die Stalltür. Mr. Williams war zu ihm getreten, und nach einer Weile, in der sie schweigend durch den Dunst gegangen waren, sagte er leise: »Er wird Sie fürchterlich vermissen.«
»Nein, Sir, sicher nicht. Pferde wissen nichts von Abschied«, erwiderte Eric und starrte in die Nacht.
Ein dunkler Ruf drang zu ihnen. Eric drehte sich zum Stall um. Der bronzene Ruf erklang von neuem.

2

    Eric folgte unbeirrbar einer Maxime: »Tu, wovor du dich am meisten fürchtest. Wende die Energie der Angst ins Positive, und du wirst daran wachsen.«
    Damit hatte Eric Lionheart wieder zum Champion gemacht und vor ihm viele andere Pferde geheilt.
Er war zuversichtlich, mit dieser Maxime auch Sir Lancelot wieder auf den ihm bestimmten Weg führen zu können: »Ich bin ja da, mein Sohn.« Die Hufe sanken tief in den schweren, feuchten Boden. Gute Arbeit, dachte Eric, Peter bekam das Wässern der Reitbahn immer besser in den Griff. Es war wichtig, daß der Boden gut durchfeuchtet war; das wirkte besänftigend auf das Temperament eines nervösen Pferdes.
Das Pferd zeigte seine Unruhe, als sie sich der gefürchteten Stelle näherten.
»In die Ecke, mein Sohn, ja gut so ...« Ein leichter Schenkeldruck, ein weiches Aufnehmen der Zügel, und der goldbraune Hengst schnaubte und streckte den Hals. Doch er versuchte nicht, aus dem Zügel zu kommen; er blieb konzentriert, war jetzt aber gelöster, nachdem er die gefürchtete Ecke mit Hilfe der sanften Stimme überwunden hatte; und mit dieser sicher durchlaufenen Ecke war seine Angst vor allen anderen Dingen, die ihm bedrohlich erschienen, ein wenig mehr geschwunden. Er fühlte die anerkennende Hand
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